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Filialleiter schlägt Ladendieb totDrei Jahre Haft für 29-Jährigen

Mit Quarzsandhandschuhen hatte ein Supermarktleiter einen Ladendieb ­verprügelt. Der starb kurz darauf. Nun wurde André S. zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt.

Das Urteil ist gefallen: Der Angeklagte muss mehr als drei Jahre ins Gefängnis Foto: dpa

Das Blut ist ihm aus dem Kopf gewichen. André S. hält den Blick gesenkt, als der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt das Urteil über ihn verkündet. Es ist nicht die erhoffte Bewährungsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung, die das Berliner Landgericht über den 29-jährigen Supermarkt-Filialleiter verhängt.

Es ist eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten: Das Gericht hat die Schläge, die der Angeklagte am Samstag, den 17. September in der Edeka-Filiale im Bahnhof Lichtenberg dem Ladendieb ­Eugeniu B. verpasste und an denen der 34-Jährige drei Tage später starb, als Körperverletzung mit Todesfolge gewertet.

Dabei war sich der rechtsmedizinische Gutachter gar nicht sicher gewesen, ob der Moldawier, der bereits eine Woche zuvor von einem Mitarbeiter in der ebenfalls zum Familienbetrieb der S. gehörenden Edeka-Filiale im Bahnhof Südkreuz verprügelt worden war, allein an den Folgen dieser Prügel starb, ob beide Prügelattacken zusammenwirkten oder nur die, die André S. zu verantworten hat.

Vor diesem Hintergrund stützten sich die Juristen vor allem auf die Aussagen von Zeugen. Da war zum einen die Cousine von Eugeniu B., die er an jenem Samstag besuchte und für die er eigentlich ein alkoholisches Gastgeschenk hatte stehlen wollen. Sie bemerkte, wie sich der Zustand ihres Logiergasts von Samstag auf Sonntag rapide verschlechterte. Vor Gericht zitierte sie ihren Cousin: „Ich bin mein Leben lang nicht so geschlagen worden.“

Auch die Mitarbeiterin einer Arztpraxis ist eine wichtige Zeugin. Sie erinnerte sich, dass Eugeniu B. ihr am Montag seine Beschwerden damit erklärte, dass er am Samstag zusammengeschlagen woreden sei. Für das Gericht ist damit klar: „Auch er führte seinen Zustand auf Ihren Schlag zurück.“ Dennoch geht es nicht davon aus, dass die eine Woche zuvor erlittenen Verletzungen von Eugeniu B. völlig folgenlos geblieben sind: „Wir sehen hier eine Mitursächlichkeit“, erklärt der Vorsitzende.

Körperverletzung mit Todesfolge wird mit mindestens drei Jahren Haft geahndet. Dieses Mindestmaß haben die Richter nur geringfügig überschritten. Die Strafe blieb moderat, weil sich der Angeklagte zu der Tat bekannte und weil er keine Vorstrafen hat. Sie erhöhten die Mindeststrafe, weil André S. ein menschenverachtendes, zynisches und ausländerfeindliches Gebaren in seiner Filiale geduldet und vorgelebt hatte.

Vor allem die Selbstjustiz kreiden die Richter ihm an: „Sie können einen Dieb festhalten, und wenn er sich wehrt, dürfen Sie auch zurückschlagen. Aber sie dürfen ihn nicht wie einen Hund misshandeln“, erklärt der Vorsitzende dem Angeklagten. „Sonst hätten wir Wildwest auf der Straße.“ Der Filialleiter hatte Eugeniu B. – von einer Kamera dokumentiert – mit Quarzsandhandschuhen traktiert.

André S. überlegt nun, ob er gegen das Urteil in Revision geht.

André S. überlegt nun, ob er gegen das Urteil in Revision geht. Verzichtet er darauf, wird das Urteil rechtskräftig, die Justiz lädt ihn dann zum Haftantritt. Möglicherweise kann er seine Strafe im offenen Vollzug verbüßen: Tagsüber könnte er dann im Familienbetrieb arbeiten.

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5 Kommentare

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  • Dieses Urteil ist eine Schande für den Rechtsstaat, wobei klar ist, Ladendiebe, und auch noch Migrant, haben keine Lobby. Das allermindeste, was hier angeklagt werden musste, wäre versuchter, oder vollendeter Totschlag gewesen. Aber wir haben ja mitfühlende Staatsanwälte und Richter, die einem Geschäftsmann nicht gleich das ganze Leben versauen wollen, und sich wahrscheinlich von Amts wegen schon im Urteil den offenen Vollzug für den Delinquenten befürworten. Ich kenne kaum jemand, der sich schon mal die "Mühe" machte sich ins Gericht zu begeben um sich die eine oder andere Verhandlung, gerade Strafrecht, an zu sehen. Ich prophezeie das sich bei den meisten die Nackenhaare sträuben. Warum meidet fast jeder die Justiz, auch wenn es ihn selbst nicht betrifft? Viele Richter fühlen sich in IHREM Gerichtssaal gottgleich, und Kritik, Berufung oder Revision gegen ihr Urteil, als Gotteslästerung. Aber sobald jemand in D das Wort Justizreform in den Mund nimmt, laufen die Lobbyisten Sturm...

    • @rotaticus53:

      So ganz richtig ist das nicht. Ich hätte mir persönlich auch ein härteres Urteil gewünscht. Aber jeder Jurist wird bestätigen, dass dieses hier kein Mord oder Todschlag war, sondern Körperverletzung mit Todesfolge. Die Begründung dafür ist ganz einfach. Man kann dem Angeklagten nicht unterstellen dass er den Mann vorsätzlich getötet hat, oder in töten wollte.

      Oder dessen Tod zumindest billigend in Kauf genommen hat. Das ist aber für Mord oder Todschlag Voraussetzung. Die Richter haben absolut korrekt entschieden. Nur das Urteil hätte eben doch etwas höher ausfallen können. Wenn man mal zu Grunde legt dass hier ein Mensch getötet wurde. Wenn die ihn jetzt wegen Todschlag verurteilt hätten, und er geht in Revision, kassieren die das Urteil direkt wieder. So ist das hier in Deutschland.

  • Jemandem das Leben genommen und nach kurzer Zeit wieder draußen.

     

    Nicht nachvollziehbares Urteil. Die Ausländerfeindlichkeit und die Spezial-Prügelhandschuhe spielten keine Rolle? Und die Selbstjustiz wird mit ein bißchen Du-du geahndet?

     

    Was soll die Familie des Opfers denken?

     

    Was sind das für Zustände?

    • @kditd:

      "Was soll die Familie des Opfers denken?"

       

      Wenn von diesem Urteil ein Signal ausgeht, dann jenes, dass alle potenziellen mutmaßlichen Ladendiebe mit Migrationshintergrund vogelfrei sind.

       

      Das Urteil ist noch in einer weiteren Facette interessant: In einer Zeit, in der mangelnder Respekt vor staatlichen Institutionen allseits beklagt wird taucht dieser Aspekt in der Anklage den zumindest Prozessberichten zufolge nicht auf; allenfalls finden sich für die Selbstjustiz allenfalls fand das Gericht dazu noch ein paar unangemessen dürftige Worte.

  • Ich finde es bemerkenswert wie die Staatsanwaltschaft im vor Kurzem verhandelten Fall des für einen Unbeteiligten tödlich ausgegangenen illegalen Autorennens erfolgreich alle strafrechtlichen Register (Stichwort: bedingter Vorsatz) gezogen hat, um z.B. sogar den Fahrer des nicht kollidierten Fahrzeugs wegen Mordes anzuklagen, wohingegen deren Herr Knispel in diesem Fall offenbar keinen einzigen Gedanken an einen bedingten Tötungsvorsatz aufgrund der verwendeten Quarzhandschuhe verschwendete (= Totschlag) oder eine besondere Grausamkeit im Modus Operandi (kniendes = wehrloses Opfer = Mord) hervorhob, sondern von vornherein nur ein Körperverletzungsdelikt anklagte. Anstelle von generalpräventiven Aspekten ist dieser Prozess offenbar von besonderer Dankbarkeit der Justiz für ihre Entlastung durch die vorliegende Selbstjustiz geprägt.