: „Ficken für die Miete“
Allgemeine Homosexuelle Arbeitsgemeinschaft (AHA) feiert zwanzigjähriges Bestehen / Der einst bürgerliche Homoclub gehört heute zum linken Rand der Schwulenszene ■ Von Micha Schulze
Suleika Bergmann-Pohl heißt die Chefin, Käte Infektiös die Politoffizierin und Niagara Phall das aufstrebende Showtalent. Die (männlichen) Mitglieder der Allgemeinen Homosexuellen Arbeitsgemeinschaft (AHA) lassen keine Gelegenheit aus, der schwulen Welt zu zeigen, daß sie nicht so trocken sind wie der Name ihres ollen Vereins. Wenn in diesem Monat die AHA ihr zwanzigjähriges Bestehen feiert, ist Suleika alias Gregor Hilland sogar in Hochform. Da schlüpft die rundliche Galionsfigur wieder in Muttis Kostüm, kramt das beliebte „Kuchen- Glücksrad“ hervor und versorgt die AHA-Familie am Mehringdamm 61 mit allerlei Leckereien und Witzchen. Jeden Freitag im März hat Suleika Bergmann-Pohl zum Jubiläumstag bestimmt.
Vor rund 20 Jahren schossen in Westberlin nicht wenige Projekte aus dem Boden, doch die AHA hebt sich von ihnen mit ihrer ungewöhnlichen Geschichte ab. Der Homoverein nahm ausnahmsweise nicht den üblichen „Joschka- Fischer-Weg“ vom linksradikalen Basisgrüppchen zum staatstreuen, gemeinnützigen e.V., sondern schlug genau den entgegengesetzten Kurs ein: Gegründet als lokaler Nachfolger der bürgerlichen „Internationalen Homophilen Weltorganisation“ sowie als Abgrenzung zur linken „Homosexuellen Aktion Westberlin“, zählt die AHA heute zum kläglichen links-alternativen Rand der hiesigen Schwulenszene. Im vergangenen Jahr hatte sich die AHA-Crew etwa zusammen mit PDS und autonomen Lesben für die antifaschistische Christopher- Street-Day-Demo durch den Osten starkgemacht.
Verantwortlich für den Gesinnungswandel war weniger politische Einsicht der AHA-Mitglieder als vielmehr ein simpler Wechsel der Aktivisten. Die heutigen AHA-Macher haben zu den bürgerlichen Gründungsvätern nicht einmal mehr Kontakt. Hört man sich bei der AHA-Jugendgruppe „Verliebte Jungs“ um, wissen die wenigsten von den früheren Vereins-Residenzen in der Behaim-, Suarez- und Friedrichstraße, geschweige denn von der gesprengten Parteienbefragung 1980 in der Bonner Beethovenhalle, die von der AHA mit vorbereitet worden war.
„Mir ist die Tradition ziemlich egal“, meint Michael Tschuschke, der immerhin seit sieben Jahren in dem knapp siebzig Mitglieder starken Verein mitmischt. Für ihn ist die AHA „eine Familie, in der man sich wohl fühlen kann“. Und damit das auch ja so bleibt, achtet Chefin Suleika streng darauf, daß sich das Vereinsleben nicht professionalisiert. Geradezu allergisch ist sie gegen Staatsknete – schließlich will man sich nicht „wie die Leute vom Mann-O-Meter“ korrumpieren lassen. Ein paar Mark von den Homo-Beamten für neues Mobiliar hat die AHA freilich nicht ausgeschlagen. „Aber das“, stöhnt Michael Tschuschke, „war eine wahnsinnig bürokratische Antragsprozedur.“
Trotz mehrerer tausend Besucher im Jahr (im Angebot sind u.a. Coming-out-Gruppen, Sonntagscafé, Disco, Shows und neuerdings auch Lesbentanz), muß sich die „unabhängige“ AHA etwas einfallen lassen, um finanziell über die Runden zu kommen. So wird, weil Mitgliedsbeiträge und Spenden für die Miete nicht reichen, allmonatlich zur Sexparty „Bodys in Emotion“ geladen. Heute abend ist es wieder soweit: Die Jubiläums-Hilfsaktion „Ficken für die Miete“ beginnt um 21 Uhr, Eintritt 9 Mark.
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