: Feuer unterm Dach
DFB-Pokal, 2. Runde: VfB Stuttgart – 1. FC Kaiserslautern 2:6 nach Verlängerung ■ Aus Stuttgart Peter Unfried
Wer, darüber streitet man sich dieser traurigen Tage beim VfB Stuttgart, wer hat denn eigentlich gefordert, es müsse endlich wieder „Feuer unterm Dach“ sein? Der Manager Dieter Hoeneß will es nicht gewesen sein, die Vermutung geht jetzt dahin, daß jenen Wunsch dann wohl der sich gelegentlich etwas forsch gebende Cheftrainer Daum herausgekräht haben muß. Wie dem auch sei, jedenfalls brennt es nun, kaum, daß die Saison begonnen hat, und mithin etwas früher als eigentlich erwartet. Warum? „Irgendwo läuft da im Moment etwas schief“, argwöhnt Hoeneß. Wer das Pokalspiel gegen den 1. FC Kaiserlautern (2:6 n.V.) gesehen hat, kann sich die Anregung nicht verkneifen, den Blick einmal auf das Spielfeld zu richten. Seltsam uninspiriert kickte man dort, der VfB macht den Eindruck eines Boxers, der bereits schwankend den Ring betritt.
Zugegeben, bei Kaiserslautern, taktisch ausbalanciert, intelligent, zielstrebig, scheint im krassen Gegensatz zum VfB schon vieles zu passen. Selten kickte Besuch in Stuttgart so deutlich besser: Der FCK hätte früher alles klarmachen und sich die Verlängerung ersparen können. 15 Minuten elf gegen neun gespielt und statt das 2:1 auszubauen, noch den Ausgleich zu kriegen, das hat Friedel Rausch mächtig gefuchst. Aber, hat der FCK-Trainer in seiner sympathischen Art gesagt: „Das prügele ich den Burschen schon noch ein.“
Vorsicht ist allerdings geboten, denn, das kann ihm Christoph Daum bestätigen, längst nicht jeder Bundesligaprofi ist des Dazulernens mächtig. Zumindest Axel Kruse kann man allerdings nicht vorwerfen, daß er seinen Kopf nicht genügend benützte. Fast fünfzehn Sekunden hatte er ihn in hektischem Einsatz, als er Mitte der ersten Hälfte und offensichtlich ohne Angst vor eventueller Beschädigung des Inhalts seine Stirn an der des Lauterers Martin Wagner rieb. Um den Schiedsrichter Osmers wegzuschubsen, brauchte er das Haupt dann nicht. Aber bereits Sekunden später wieder, als er, noch auf dem Platz, darüber sein Trikot zog, um es dem Manager, welcher ihn nicht gerade mit den freundlichsten Worten am Spielfeldrand begrüßte, vor die Füße zu werfen.
„Das“, hat Dieter Hoeneß gesagt, und dieses eine Mal muß man dem Mann nicht widersprechen, „kann man der Mannschaft nicht zumuten.“ Die Frage ist nur: Warum hat er „Herrn Kruse“, wie man den Rostocker allenthalben respektvoll-abstandhaltend ruft, überhaupt Mitspielern, Verein und Anhängern zugemutet? Der Mann ist doch gelernter Marketingexperte. Und müßte wissen, daß man neben einigen, allerdings bescheiden-ausgeprägten, fußballerischen Qualitäten mit dem Produkt Kruse in allererster Linie ein Negativ- Image erworben hat, das sich genau wie jenes des Feierabendfußballers Thomas Berthold kaum positiv auf die Mannschaft, ihren Identifkationsgrad und Vermarktungswert auswirken kann.
Jetzt gibt Hoeneß den Erstaunten („Das hat Axel Kruse noch nie gemacht!“) und geht in die Defensive: „Iiiich habe den Schiedsrichter nicht angerempelt.“ Was das bedeutet? Daß man in Stuttgart bereits dabei ist, vorsichtig in Deckung zu gehen. „Abhaken, Hebel ansetzen, mit Volldampf auf die Bundesliga konzentrieren, Abstand gewinnen“, das, nicht mehr, hat Christoph Daum nach dem Aus im „wichtigen“ (Daum) DFB- Pokal sagen mögen. Während Kollege Rausch („Friiieedel“) von den Seinen mit Sprechchören gefeiert wurde, kräht nach Daum in Stuttgart längst kein Hahn mehr. Wenn er nicht umgehend den Fehler im System zu orten vermag, könnte er den angestrebten „Abstand“ tatsächlich noch vor Nürnbergs hochgewettetem Willi Entenmann gewonnen haben.
Das hat der verdächtig ruhig gewordene und längst nicht mehr ganz und gar unsympathische Christoph, versteht sich, mitgekriegt. Aber er weiß: „Du kannst das nicht mit Worten erklären. Du mußt Taten folgen lassen.“ Am allerbesten schon am Sonntag, wenn die Lederhosen kommen. Nur wie?
Nun, vielleicht kommt ja das Glück zurück, der tapfer weiterhin angekündigte Brasilianer Dunga eines Wintertages doch noch in Stuttgart an, wird Herr Kruse vom DFB für ein halbes Jahr aus der Zirkulation genommen. „Fußball“, das weiß Dieter Hoeneß, „ist auch ein Stück Psychologie.“ Soll heißen: „Wenn's läuft, läuft's, und keiner hat eine Erklärung dafür.“ Und wenn's nicht läuft?
Nachdenklich schlurfte Hoeneß am Mittwoch gegen Mitternacht um die einstige Adolf-Hitler- Kampfbahn. Und kam so zu einem heißen Tip. „Selbstkritik, Herr Hoeneß“, rief ihm ein VfB-Fan weise zu, „Nachdenken über die Einkäufe!“ Das zu tun versprach der Manager, und leise seufzte er: „Es paßt einfach alles zusammen.“ Was auch nicht ganz stimmt: In Wahrheit, man muß es leider sagen, paßt derzeit so gut wie nichts.
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