: Fettsteuer ist neuer Zankapfel von EG und USA
■ Beratungen in Brüssel / BMW–Exporte in Gefahr / Entscheidung in Bonn?
Washington (afp) - Die Verbrauchssteuer, die die Europäische Gemeinschaft zum besonderen Nachteil der amerikanischen Soja–Produzenten auf pflanzliche Fettprodukte erheben will, wird mit Sicherheit einen neuen Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten auslösen. Daran ließen in den letzten Tagen in Washington weder Regierungsstellen noch die betroffenen Erzeugerverbände irgendeinen Zweifel. Im Weißen Haus wie im Kongreß sprechen alle die gleiche Sprache: Eine Steuer, die einen amerikanischen Jahresexport an Sojaprodukten im Wert von 2,4 Milliarden Dollar betrifft, „ist politisch unerträglich“ für die USA. Die neue Steuer, vorgeschlagen von der EG–Kommission und in der letzten Woche vom Europäischen Parlament akzeptiert, wird seit Montag vom Agrarminister– Rat in Brüssel diskutiert. Wird sie auch dort verabschiedet, werden die Vereinigten Staaten ohne jeden Zweifel mit Vergeltungsmaßnahmen gegen europäische Produkte antworten, wurde jetzt noch einmal bestätigt im Umkreis von Clayton Yeutter, Handelsbeauftragter des US–Präsidenten Ronald Reagan. Die Abgabe, die den Verkaufspreis von Pflanzenöl in der EG verdoppeln würde, hätte Auswirkungen auf rund die Hälfte der amerikanischen Soja–Exportmenge. Und Soja ist am Wert gemessen das drittwichtigste landwirtschaftliche Exportprodukt der USA nach Mais und Weizen. Der Vorsitzende des Agraraus schusses im Repräsentantenhaus, Kika de la Garza, kündigte gegenüber AFP an, daß eine solche Steuer „ernste Folgen für die amerikanischen Landwirte hätte und sehr starken Druck in Richtung auf Vergeltungsmaßnahmen“ gegen europäische Produkte erzeugen würde, die auf den amerikanischen Markt kommen. In Washington war bereits deutlich zu vernehmen, daß diese Strafabgaben dann Wein sowie importierte Autos beträfen, darunter insbesondere Mercedes– und BMW– Fabrikate. „Es ist außerordentlich wichtig, daß die EG diese Steuer fallenläßt, wenn sie sichere und sofortige Repressalien vermeiden will“, schrieb der republikanische Senator Charles Grassley (Iowa) an den irischen Botschafter in Washington. Grassley erinnerte in seinem Brief daran, daß der Senat zu Beginn des Jahres einstimmig eine Resolution verabschiedet hatte, in der Reagan aufgefordert wurde, Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen, sollte die Fettsteuer in Kraft treten. Im gleichen Sinne fest entschlossen äußerte sich der demokratische Senator Lloyd Bentsen (Texas), Vorsitzender des mächtigen Finanzausschusses, gegenüber dem französischen Regierungschef Jacques Chirac, als dieser im April in Washington zu Besuch war. Auf Seiten der Erzeugerverbände wird die Entscheidung der EG–Minister mit ängstlicher Spannung erwartet. Wayne Bennett, Vizepräsident des einflußreichen „Amerikanischen Verbandes der Sojaproduzenten“, versicherte gegenüber AFP, die Anwendung dieser Steuer würde katastrophal für die Erzeuger in den USA sein, weil „der europäische Markt für uns entscheidend ist“. Das Weiße Haus unterstütze jedoch vom Präsidenten bis zum Außenminister einhellig die Position der Soja–Branche; drohende Vergeltungsmaßnahmen auf EG– Importe im Gegenwert von 2,4 Milliarden Dollar würden die Europäer von ihrem Plan abbringen, hoffte Bennett. Im Büro Yeutters wird zudem die Auffassung vertreten, daß das Prinzip dieser Fettsteuer nicht in Einklang mit dem Allgemeinen Zoll– und Handelsabkommen (GATT) zu bringen ist. Washington betrachtet das Projekt im übrigen als denkbar unangebracht zu einem Zeitpunkt, wo sich die Gesamtheit der GATT–Mitgliedsländer in Genf auf eine Senkung der Agrarsubventionen verständigen will. In amerikanischen Regierungskreisen wird angenommen, daß die Entscheidung letztlich von der Haltung der Bundesrepublik abhängt. Wenn Paris, wo die glühendsten Verfechter der Fettsteuer sitzen, Bonn eine verlockende Gegenleistung anbiete, könnte die Bundesregierung zustimmen, wird in Washington befürchtet. Frankreich könne zum Beispiel den Versuch aufgeben, das Grenzausgleichssystem abzuschaffen, und somit eine starke Bedrohung für die deutsche Landwirtschaft aus dem Weg räumen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen