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Festnahme Ejub GanicKriegsverbrecher oder nicht?

Ejub Ganic soll für den Tod von 40 serbischen Soldaten verantwortlich sein, Anklage hat das UN-Tribunal aber nicht erhoben. Vermutlich will Serbien vom Karadzic-Prozess ablenken.

Bobbahn in Sarajevo. Bild: reuters

SARAJEVO taz | "So ein Stress schon wegen Karadzic, und jetzt auch noch dies", stöhnt Belma Zulcic im Büro der Gesellschaft für bedrohte Völker in Sarajevo. Die Menschenrechtlerin ist über die Festnahme des Rektors der Sarajevo School of Sciences and Technology, Ejub Ganic, am Montag in London entsetzt.

Auch einige internationale Diplomaten sind fassungslos. "Ausgerechnet am Jahrestag der Unabhängigkeit und dem Beginn des Prozesses gegen Radovan Karadzic erfolgte diese Festnahme", erklärte Christian Schwarz-Schilling, ehemaliger Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft gegenüber der taz. Seit zwei Jahren schon lehrt der ehemalige CDU-Abgeordnete an der Ganic-Universität in Sarajevo internationale Politik.

Dem ehemaligen Politiker Ejub Ganic wird von serbischer Seite vorgeworfen, für die Angriffe auf sich zurückziehende serbische Soldaten zu Beginn des Krieges 1992 in Sarajevo verantwortlich zu sein. 40 Soldaten sollen damals getötet worden sein. Ganic galt damals als drittwichtigster Mann der bosnischen Führung hinter Präsident Alija Izetbegovic und Premierminister Haris Silajdzic.

Der aus dem serbischen Sandzak stammende und 1946 in Novi Pazar geborene Naturwissenschaftler Ganic war vor wenigen Tagen nach London gereist, um an einer Zeremonie für die Übergabe der Abschlusszeugnisse für einige seiner Studenten teilzunehmen. Die Prüfungen in Sarajevo werden nach britischen Vorgaben abgehalten und die Professoren der Buckingham University beurteilen letztlich die Abschlussarbeiten. Damit haben die Zeugnisse internationale Gültigkeit.

Die Vorwürfe gegen Ganic wurden vom UN-Tribunal in Den Haag untersucht. Anklage wurde nicht erhoben. Gleichwohl ermittelt die Staatsanwaltschaft in Sarajevo aufgrund einer serbischen Bitte gegen Ganic. Nach bosnischer Darstellung sollten die Soldaten der jugoslawischen Armee 1992 ohne ihre schweren Waffen abziehen. Dafür war ihnen freies Geleit versprochen worden. Doch nachdem klar war, dass die Armee mit den schweren Waffen abziehen wollte, kam es zu den bewaffneten Auseinandersetzungen.

Die serbische Regierung, die Ganic über Interpol suchen ließ, will nun einen Auslieferungsantrag in Großbritannien stellen. Dabei wurde erst vergangene Woche ein Abkommen zwischen Sarajevo und Belgrad unterzeichnet, in dem festgelegt ist, dass Verbrechen im jeweiligen Land, in dem der Angeklagte die Staatsbürgerschaft besitzt, untersucht werden sollen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Verhaftung von Ganic ein Ablenkungsmanöver gegenüber dem Karadzic-Prozess ist. "Man will in Belgrad den Eindruck erwecken, als sei die Kriegsschuld gleich verteilt", hieß es in einem Radiokommentar.

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22 Kommentare

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  • G9
    Gast 9

    Selsamer Artikel. Offensichtlich hat der Autor ein Problem mit Serben. Wurde der Grossvater im Ersten Weltkrieg vielleicht von Serben vergewaltigt oder vielleicht der Vater im Zweiten verwundet? Man weiss es nicht! Sollte man vieleicht ausrecherchieren. Aber was hat die taz mit recherchieren am Hut?

  • JR
    Judge Robinson

    Zum Fall Dobrovoljacka Street kann ich nur auf den Prozess gegen Slobodan Milosevic vor dem ICTY verweisen:

     

    http://www.icty.org/x/cases/slobodan_milosevic/trans/en/040212ED.htm

     

    Milosevic befragt General Morillon (UNPROFOR) ausfuehrlich zu den Ereignissen in der Dobrovoljacka Street:

     

    10 Q. Very well. After the agreement on withdrawal from Bosnia and

    11 Herzegovina to the Federal Republic of Yugoslavia was reached regarding

    12 members of the JNA who were not natives of Bosnia, you know that the

    13 Muslim forces obstructed this withdrawal. The best known event is the

    14 attack on the military column in Dobrovoljacka Street in Sarajevo. You

    15 remember that?

    16 A. Yes. That was one of the dramatic events that I experienced on

    17 the spot and we all suffered because we didn't have the means to prevent

    18 it. We tried everything through negotiation to allow things to happen

    19 differently, but there was a massacre.

    20 Q. So the JNA was pulling out. The Muslim forces attacked them and

    21 committed a massacre of soldiers who were normally pulling out and

    22 withdrawing and, according to the agreement, were supposed to go to

    23 Yugoslavia. You remember that?

    24 A. They were going towards Lukavica, yes.

     

    (...)

     

    The number

    8 24049, and that is the report which speaks about the fact that the JNA had

    9 withdrawn from Bosnia-Herzegovina and that the army of Republika Srpska

    10 was not under the control of Belgrade and also that the Croatian army was

    11 in place in Bosnia-Herzegovina.

    12 MR. MILOSEVIC: [interpretation].

    13 Q. So those, I assume, are the observations that were made on the

    14 basis of your reports, General Morillon, and they were included into the

    15 report of the Secretary-General, Mr. Boutros-Ghali.

    16 A. What I personally observed was that, overnight, the units which I

    17 had seen with the JNA star at Lukavica had been sort of repainted with the

    18 insignia of the Republika Srpska. We were not duped. We were not

    19 completely duped by all this business. All the heavy weapons were

    20 remaining and had been transferred.

    21 Colonel Mladic, I think he was still a Colonel at the time, he

    22 wasn't yet a general, was arriving from Knin and still belonged to the

    23 JNA. Therefore, this report you are mentioning, I do not question it

    24 personally.

    25 As for my part, what I've seen and observed on the ground was that

    Page 32001

    1 indeed, like with a magic wand, the JNA that was supposed to withdraw,

    2 transferred practically the whole of its equipment to what became the army

    3 of the Serbs of Bosnia during this period, around and as from the moment

    4 when General Kukanjac, having been evacuated, was relieved of his command,

    5 and this is all I can say about this.

     

    Das sollte Dr. Ganic entlasten. Ausserdem kann ich noch auf die Prozesse gegen Dragomir Milosevic und Milomir Stakic verweisen. Dort finden sich haufenweise Beweise, die Ganic antlasten und aus diesem Grund hat das ICTY auch entschieden keine Anklage zu erheben.

  • G
    Gogi

    Also erstmal basiert dieser Artikel auf schlechten Hintergrund! Es waren nicht serbische Soldaten sondern 18ige Kinder und Reservisten die ihre Wehrpflicht regulär in Jugoslawien gemacht haben. Serbien hat die Suche über Interpol viel früher abgegeben, er wurde zufällig zum Zeitpunkt des Karadzics Prozesses festgenommen. Und wenn jemand befiehlt das die Soldaten nicht lebend sich zurückziehen können, trotz Arragements mit Alija Izelbegovic, muss er vors Gericht und ich bin froh darüber!

  • T
    Teddy

    Wenn man die Geschichte Serbiens betrachtet, so wollten diese immer ihre Vision des großen Serbien erreichen. Leider scheiterten sie immer wieder und werden es immer wieder tun. Europa nutzt die Serben nur aus, um zum Ziel zu kommen. Der Islam ist nicht in Mitten von Europa erwünscht! So ist die Bevölkerung mit über 40 % Muslimer.Ich habe auch in Serbien gelebt, ein Horror von Nationalismus. Wenn wir überlegen, es gab da einen Mann Namens Zoran Dzindzic, er wollte Frieden. Er passte aber nicht in das Bild der Serbischen Bevölkerung, also brachte man ihn um. Anna Lind die schwedische Ministerin ist ebenfalls von den selben serbischen Extremisten ermordet worden, weil Sie zu Zoran Dzindzic stand, genau so wie Olaf Lund. Schlimm....ich habe auch in Sarajevo gelebt, ( alles aus Studientechnischen Gründen, Studienarbeiten usw. ) DORT sind die Leute anders, es gibt Serben, kroaten, bosnier, die leben friedlich miteinander, und die Bosnier sind es nicht die den Hass dort verbreiten. Und ich bin Deutsche .... und unvoreingenommen, aber so ein extremer Nationalismus ist nirgendwo schlimmer als in Serbien. Natürlich wollen diese von Karadzic DEM KRIEGSVERBRECHER aller Zeiten ablenken.

  • T
    TOM

    An Morales: Ja er wurde verwiesen, erzählen Sie doch auch mal von wem? Ich weiß es ganz ehrlich nicht und habe nicht danach gegoogelt, aber ich denke mir mal das es von den Serben aus geschah falls Sie die Wahrheit sagen. Habe ich Recht? Falls ja, sollte man selber noch einmal nachdenken welche Gründe tatsächlich dafür eine Rolle gespielt haben.

     

    Erschreckend finde ich vor allem das klare Kriegsverbrechen von Serben die als Beispiel genannt wurden immer noch in den Köpfen vieler geleugnet werden. Ich meine der Marktplatz und die Heckenschützen die jeden ins Visier nahmen ist noch der ganzen Welt in Erinnerung, nur die Serben scheinen zu großen Teilen eine Amnesie zu erleiden wenn das Thema darauf fällt. Mal davon abgesehen, ist dies hier überhaupt nicht der Punkt, nichtsdestotrotz zeigt es mir einmal mehr die Leugnung von Tatsachen. Tatsachen wie das gerade in dieser Stadt fast 9 von 10 Zivilisten Moslems waren. Wir reden übrigens von über 90000 Toten wovon ca. 40000 Zivilisten waren. Also einfach mal den Ball flach halten. So wird dat sonst nix mit EU.

  • C
    Christoph

    Ich freue mich, dass dies Forum besonders mit der letzten Meinung die Qualität bekommen hat, die es verdient. Danke Bernd. In dieser Ebene sollten wir die weiteren Ereignisse auch um den Prozess um Radovan Karadžić weiter kommentieren ohne nationalistisches Gehabe.Ich glaube, das dieser Prozess noch so einige Überraschungen bringen wird.

    Und ich bin freue mich auf die Beiträge der taz. inwieweit diese unabhängig sind.

  • B
    Bernd

    Leute,!

     

    Was will Serbien ablenken!?????? (Am anfang des berichtes)

     

    Heisst für euch ablenkung in dem mann ein Kriegsverbrecher verhaftet!!!?????

     

    Ausserdem; Die soldaten waren auf rückzug unter der UN leitung LIVE DABEI!!!!!???

     

    Und dann ist das passiert!!!!

     

    Ob der Herr Ganic das befohlen hat oder nicht muss das Gericht von Serbien BEWEISEN!

    Es sind genug Video und Audio beweise vorhanden! (Auf YOUTUBE) sogar

     

    Also muss der Typ vor Gericht gestellt werden!

  • M
    morales

    Lange Zeit habe ich die Art und Weise der Berichterstattung ignoriert um mich selbst zu schützen vor grausamer Ignoranz aller Beteiligten.

    Zugegeben dieser Artikle reiht sich ein in die Reihe der zahllosen unrecherchierten, ungeprüften, Fragen offen lassenden Artikel.

    Der Unterschied ist, es gibt Menschen die es erkennen und in der Lage sind dies intelektuell zu verarbeiten. Früher gab es die Leider nicht.

    Daher ein Dank an Christoph für seine klare erhellende Kritik. An die anderen Herren kann ich nur den Hinweis geben, das gebeutelte Land Serbien ist allem Anschein nach besser in der Lage seine Rechte einzufordern und zu kommunizieren, im Business könnte man auch sagen , sie verkaufen sich besser als zu Milosevics unfähigen Zeiten.

    Daher reicht es nicht mehr die Tatsachen einfach zu verdrehen wie Herr Kohlhaas :Zitat "ach ja? jene soldaten, die zuvor monatelang sarajevo belagert und beschossen haben! den tod von tausenden unschuldigen zivilisten in kauf genommen. erinnern sie sich noch an den angriff auf den marktplatz?"

     

    Dieser Angriff auf junge Soldaten die zum Wehrdienst gingen und plötzlich im Krieg waren, war ja gerade einer dieser perfiden Auslöser. Wie kurz vorher der Angriff auf die Hochzeitsgesellschaft.

     

    Mir ist klar alles ist in der hiesigen Öffentlichkeit in Vergessenheit geraten, aber nicht in Serbien vergessen.Die Rechtsprechung ist engagiert an der Aufklärung, und die banale "Ablenkung" von Karadzic ist eine extrem ideenlose kommentiereng seitens der TAZ.

    Übrigens der sogenannte Angriff auf dem Marktplatz wurde ballistisch als unmöglich gewertet aber vom ZDF Berichterstatter (man helfe mir wir er hies) wurden dennoch 20 min nach der explosion die schon erstarrten Leichen gefilmt. Der selbe Herr wurde im Kosovo erwischt wie er Kriegsszenen nachstellt und des Landes verwiesen. Trotzig durfte er dann aus Wien über die Lage im Kosovo berichten (ziemlich weit weg für gute Recherche).

    Ich war übrigens auf der RTS Webseite, dort kann man gerade hören wie die Befehle per Funk durchgegeben wurden die Soldaten zu töten.

    Und das Buch von Genral McKenzie gibt weiteren aufschluss über die Vorgänge.

    Damit lehne ich mich zufrirden zurück und lese wieder lange Zeit nichts deregleichen. Wohlwissend Justitia ist blind , alle kommen auf die Waage.

  • C
    Christoph

    zum Autor Erich Rathfelder

    Der Text sagt alles über die Qualität der Berichte des Autors

    Über den Kriegsreporter Erich Rathfelder

     

    Es gibt keine Arbeit, die spurlos vorüberginge an denen, die sie tun. Das gilt für Lehrer, für Automechaniker und Chefredakteure, für Schauspieler, Köche und Kopfschlächter, für Taxifahrer, Minister und Journalisten. Eine besondere Spezies von Journalisten sind die Kriegsberichterstatter. Im Laufe ihres Berufslebens sehen sie jede Menge Uniformen, Gemeinheit, Blut, Leid und Leichen, und vieles davon sehen sie live. Das ist mitunter gefährlich, sogar lebensbedrohlich; da man Kriegsreporter aber aus freien Stücken wird, darf eine gewisse Faszination vom Krieg ebenso angenommen werden wie die Abstumpfung durch Gewöhnung, die es in jedem Beruf gibt.

    Zudem ist eine Nachricht - auch wenn das gern ethisch bepinselt und geleugnet wird - immer auch eine Ware, die verkauft wird. Wenn also ein Kriegsjournalist behauptet, er wolle mit seinen möglichst öffentlichkeitsaufpeitschenden Berichten vor allem die Menschheit retten, darf man, ohne besondere Niedrigkeit zu unterstellen, skeptisch sein. Trotzdem wäre es falsch, Kriegsberichterstatter egalweg für abgebrühte

     

    Burschen zu halten, denen die Opfer des Krieges gleichgültig wären. Emotionalität gehört im Gegenteil unbedingt zum Berufsbild; in Zeiten, in denen Kriege moralisch begründet und gerechtfertigt werden, ist sie sogar ganz unverzichtbar. Das Publikum mag Reporter, die bewegt erscheinen; ob und wie sie es tatsächlich sind, ist dabei insofern wichtig, als es Einfluß hat auf das, was Glaubwürdigkeit genannt wird - also die Fähigkeit, mit einer Rolle möglichst identisch zu sein. Der Kriegsjournalist nimmt, wie jeder andere auch, die Welt subjektiv wahr; es kann leicht geschehen, daß er sich einseitig mit den Opfern einer Kriegspartei identifiziert - und diese Parteinahme dann als die objektive Nachricht verkauft, die es nicht gibt. So wird der Kriegsreporter - manchmal durchaus unbeabsichtigt - selbst zur Kriegswaffe.

     

    Dies alles ist Zeitungs-, Radio- und sogar Fernsehredakteuren bekannt, und deshalb werden Kriegsberichterstatter auch regelmäßig aus ihrem Einsatzgebiet abgezogen und in ein anderes versetzt. So soll der Verfilzung von Reportern und Kriegsparteien Einhalt geboten werden.

    Umso erstaunlicher ist es, wenn ein Kriegsreporter dafür gefeiert wird, daß er diese wohlbegründete Regel permanent verletzt: "Erich Rathfelder war und ist der längstgediente Korrespondent auf dem Bosnien-Schlachtfeld", schreibt Rupert Neudeck. Zwar weiß Neudeck, daß diese Tatsache eher gegen Rathfelders Arbeit spricht, aber er bastelt an einer Heldengedenktagslegende: "Rathfelder ist der einzige Journalist, der es die gesamte Kriegszeit seit 1992 - im heißen Sommer wie im eisigen Winter, ohne Strom und gutes Wasser - bei den Eingeschlossenen in Bosnien und Sarajewo ausgehalten hat." Doch Undank, das weiß Neudeck, ist der Welten Lohn: "Er hat damit nicht den Ruhm erlangt, den er verdient hat."

    In einem gewissen Sinn stimmt das. Rathfelder, der seit 1992 einen publizistischen Feldzug gegen Serbien führt, ist dafür tatsächlich kaum adäquat gewürdigt worden. Zwar wurde er in eher marginalen linken Publikationen "Pendler des Todes" und "fanatischer Serbenfresser" genannt, weiter herumgesprochen aber hat sich das kaum. "Rathfelder hetzte immer von einem Schauplatz zum anderen", heißt es - unfreiwillig doppeldeutig - bei Neudeck. Vom Hetzen versteht Rathfelder etwas. Ein Beispiel: Am 20. April 1994 machte die taz mit dem Schlachtruf "Bombardiert Pale!" auf. In solchen Momenten findet Erich Rathfelders Berufsauffassung ganz zu sich selbst.

    Nicht einmal seine nachweislichen Falschmeldungen haben Rathfelder bisher geschadet: Am 5. August 1998 - Rathfelder ist mittlerweile im Kosovo unterwegs - meldet er triumphierend: "Massengräber jetzt auch im Kosovo entdeckt". Rathfelder erzählt von "Augenzeugen" die ganz genau wissen wollen, daß "567 Menschen verscharrt" worden seien, darunter "die Leichen von 430 Kindern".

    Gerade die Genauigkeit dieser Angaben ist ein Indiz dafür, daß sie so nicht stimmen können: Wer hätte Gelegenheit und Zeit haben sollen, die Leichen so exakt zu zählen? Die Chefredaktion der taz aber hievt die Geschichte dennoch auf ihre Seite 1: "taz-Reporter stößt bei Orahovac auf hunderte Leichen". Das behauptet nicht einmal Rathfelder selbst; er will nur "den Gestank der Leichen" gerochen haben - der Rest ist Hörensagen. Am nächsten Tag muß die taz einen Rückzieher machen: "Widersprüche über Opfer bei Orahovac" heißt es. Das ist kühn formuliert - "berechtigte Zweifel" käme der Sache näher. Das Massengrab im Sommerloch ist zu diesem Zeitpunkt nichts als ein Gerücht; eine herbeialarmierte offizielle Delegation der EU stellt nur die Gräber von 37 bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und der UCK Getöteten fest, die von serbischer Seite auch nicht bestritten worden waren.

    Verkauft hatte Rathfelder seine Geschichte außer an die taz auch an die österreichische Tageszeitung Die Presse. Er wurde aus dem Kosovo ausgewiesen; der ARD-Mann Friedhelm Brebeck, in Jugoslawien nicht als Parteigänger der Regierung aufgefallen, sagte: "Der Erich hat etwas berichtet, was nicht passiert ist", und Die Presse handelte sich vom österreichischen Presserat wegen "Verletzung der Berufspflicht" eine Rüge ein.

    Nach dem Krieg der Nato gegen Jugoslawien kehrt Erich Rathfelder ins Kosovo zurück. Wieder tut sich ein Sommerloch auf, und wieder buddelt er. Die Sache vom August 1998 wurmt ihn; wenigstens retrospektiv will er recht gehabt haben. Fast auf den Tag genau ein Jahr nach seiner ersten Massengrab-Geschichte, am 27. Juli 1999, kommt Rathfelder wieder damit angelaufen. "Die stummen Zeugen der Verbrechen" heißt die Variante diesmal.

    "Daß es Massengräber bei Orahovac gegeben hat, steht inzwischen fest", schreibt die taz; in einer Erklärung der Chefredakteurin Bascha Mika ist einmal von "112 Albanern", ein anderes Mal von "150 Menschen" die Rede. Was also sind Rathfelders "567 Leichen, darunter 430 Kinder"? Erstunken und erlogen? Man erfährt es nicht.

     

    Auf Nachfrage erklärt die Chefredakteurin zwar, daß im Sommer 1998 "Fehler gemacht wurden - von Erich Rathfelder, und von der Redaktion". Aber hält sie es nicht für äußerst heikel, daß Rathfelder jetzt in derselben Angelegenheit wieder unterwegs ist? Hat er nicht ein massives persönliches Interesse daran, seine damaligen Behauptungen zu stützen? Steht er nicht geradezu unter Beweisdruck? Davon will Bascha Mika nichts wissen, "denn die Existenz der Massengräber ist ja gesichert. Erich Rathfelder ist unser Experte, unser Fachmann vor Ort." Flachmann wäre die korrekte Berufsbezeichnung; Rathfelder, der - so berichten es verschiedene Kollegen, die mit ihm beruflich zu tun haben - "morgens um zehn regelmäßig eine Flasche Schnaps intus" hat, darf, obwohl tief in diese Sache verstrickt, weiter Leichen addieren. Es ist, als ob ein angeklagter Hochstapler sich seinen eigenen Freispruch schreibt.

    In der taz sieht man Rathfelders Rückendeckung durch die Chefredakteurin mit großem Unmut. "Ich verstehe nicht, daß man Erich Rathfelder über dieses Thema schreiben läßt. Der ist schlicht und einfach befangen", sagt eine Redakteurin. "Von Rathfelder kann man nicht verlangen, daß er sich quasi selbst überführt. Man müßte aber dafür sorgen, daß er seine Propaganda nicht auch noch fortsetzen kann."

    "Es geht hier ja nicht um feuilletonistische Petitessen", sagt ein Redakteur. "Wenn Wolf Biermann zur CSU rennt und sich im Spiegel dafür selber gute Zensuren ausstellen darf, ist das journalistisch peinlich. Der Fall Rathfelder geht über Peinlichkeit weit hinaus. Rathfelder ist kein Journalist. Er ist parteiisch, und er macht Politik."

    Ein ehemaliger Redakteur Rathfelders erzählt: "Als wir seine wüstesten anti-serbischen Tiraden eine Zeitlang nicht druckten, tauchte er eines Morgens plötzlich in Berlin auf, in der Redaktion - in einem kroatischen Kampfanzug! Es war gruselig. Aber auch seine Anrufe waren gefürchtet. Wir halfen uns mit einem Trick: Wir scheuerten am Hörer herum und behaupteten, die Verbindung sei zu schlecht, wir könnten ihn nicht verstehen. Irgendwann legte er entnervt auf."

    Eine Reporterin berichtet von einem Treffen mit Rathfelder im Kosovo. "Wer hat dich geschickt? Du sollst mich kontrollieren!" habe Rathfelder sie paranoid angeherrscht: "Die taz ist ein Faschistenblatt! Die drucken meine Texte nicht!"

     

    Legendär ist die Qualität dieser Texte. "Gestammel", stöhnt ein Redakteur, der mittlerweile das Ressort gewechselt hat. "Man muß stundenlang redigieren, bis das Zeug wenigstens formal halbwegs druckbar ist." Rathfelder gilt in der taz als "Problemfall, den man aus sozialen Gründen nicht entlassen kann." Auf keinen Fall aber will man ihn in der Redaktion haben. Ein Kollege, der Rathfelder seit mehr als 20 Jahren kennt, faßt das Problem so zusammen: "Rathfelder ist abhängig - vom Schnaps, aber mehr noch vom Krieg. Der braucht das richtig." So erklärt sich auch Rathfelders Motiv, "in Kellern zu sitzen und bei Kerzenlicht auszuhalten", wie es bei Rupert Neudeck pfadfinderschwärmerisch heißt.

     

    Trotz allem bleibt Rathfelder bis auf weiteres der Balkan-Berichterstatter der taz; der interne Vorschlag, der Mann solle doch "über Kaninchenzüchter schreiben", weil er da "wenigstens keinen Schaden anrichtet", ist verweifelter Galgenhumor. Die Kaninchenzüchter würden sich im übrigen bedanken. taz-Leser dürfen das schon jetzt.

  • HN
    Herr Neno

    Tito hätte ihn auch verhaftet. Alles klar?

  • C
    Christoph

    Antwort an Michi und Anton:

    Dem ist nichts hinzuzufügen.Meine Meinung!! Traurig ist, dass der sich als "Bos.Trottel" bezeichnende schon davon ausgeht, dass Garic sowieso frei kommt.

    Herr Garic kommt erst einmal nicht auf Kaution frei.

    Im Übrigen wurde die Kaution aus dem schon völlig überschuldeten Haushalt der Föderation bezahlt. Vieleicht beurteilt die englische Justiz den Fall dem Völkerrecht entsprechend. Im Übrigen muss ich mich nicht schämen. Wir haben in unserer Hilfsmision in Bosnien allen Seiten geholfen.

  • C
    Christoph

    zur Antwort des Herrn Kohlhaas.

    Erst einmal ist nicht bewiesen, dass die Serben den Marktplatz beschossen haben. Hier geht es doch um das Grundsätzliche. Ich habe nicht gesagt, dass die Serben frei sind von Schuld. Der Bürgerkrieg in Bosnien wurde von allen Seiten geführt. Das auch die bosnische Armee nicht frei von Kriegsverbrechen ist, ist doch schon bewiesen. Und das das Gericht in Haag nicht unvoreingenommen ist, ist hinlänglich bekannt. So wurde Naser Oric, trotz nachweislicher Kriegsverbrechen, frei gesprochen. Waren Sie schon einmal in Bjielovac. Was hatten die 105 ermordeten serbischen Bauern dort mit dem Krieg zu tun. Genau so wenig wie die bosnischen einfachen Menschen. Und Herr Memic. Für mich sind nicht alle Bosnier Kriegsverbrecher. Es waren die Führer aller Kriegsparteien die Not und Hass gesät hatten. Selbstkritik auch gegenüber den eigenen Reihen ist eine Tugend. Der taz täte es gut, als unabhängige Zeitung, alle Seiten zu betrachten. Im Übrigen habe ich 2 Jahre in Srebrenica gearbeitet. Dort trafen ich Menschen aller Entinitäten, die sich wünschen, dass dieser Krieg und seine Verbrechen von allen Seiten betrachtet wird.

  • C
    Christoph

    zur Antwort des Herrn Kohlhaas.

    Erst einmal ist nicht bewiesen, dass die Serben den Marktplatz beschossen haben. Hier geht es doch um das Grundsätzliche. Ich habe nicht gesagt, dass die Serben frei sind von Schuld. Der Bürgerkrieg in Bosnien wurde von allen Seiten geführt. Das auch die bosnische Armee nicht frei von Kriegsverbrechen ist, ist doch schon bewiesen. Und das das Gericht in Haag nicht unvoreingenommen ist, ist hinlänglich bekannt. So wurde Naser Oric, trotz nachweislicher Kriegsverbrechen, frei gesprochen. Waren Sie schon einmal in Bjielovac. Was hatten die 105 ermordeten serbischen Bauern dort mit dem Krieg zu tun. Genau so wenig wie die bosnischen einfachen Menschen. Und Herr Memic. Für mich sind nicht alle Bosnier Kriegsverbrecher. Es waren die Führer aller Kriegsparteien die Not und Hass gesät hatten. Selbstkritik auch gegenüber den eigenen Reihen ist eine Tugend. Der taz täte es gut, als unabhängige Zeitung, alle Seiten zu betrachten. Im Übrigen habe ich 2 Jahre in Srebrenica gearbeitet. Dort trafen ich Menschen aller Entinitäten, die sich wünschen, dass dieser Krieg und seine Verbrechen von allen Seiten betrachtet wird.

  • A
    Anton

    Bevor man hier aus offenkundig persönlichen Befindlichkeiten und aus einem individuellen Verständis für Gerechtigkeit heraus Partei für die eine oder andere Seite ergreift, sollte man sich doch mal fragen, inwieweit die Getöteten (keine) Kombattanten im völkerrechtlichen Sinne gewesen sind, oder ob ein Angriff aus anderen Gründen diesem Recht entgegen stand.

    Es ist erschreckend, wie in den Kommentaren so bedeutungsschwere Begriffe wie Gerechtigkeit und Kriegsverbrechen schwarz oder weiß angemalt werden.

  • M
    Michi

    was ich hier teilweise lesen muss....also das verschlägt mir die sprache, aber wirklich.

     

    es ist eine so bodenlose unverschämtheit und es zeugt nicht sehr viel von intelligenz zu behaupten das für "die serben" "alle bosnier" kriegsverbrecher wären...trotz der tatsache das alle bosnier (die ich kenne) denken, das alle serben kriegsverbrecher wären mir den eindruck vermitteln das alle bosnier so denken, versuche ich dennoch kritisch zu denken!

    und das sollten sie auch ahmet memic.

    gerechtigkeit für alle sag ich einfach mal. nur weil 40 serbische soldaten potentielle mörder sind, bedeutet es nicht das für ihren tod der täter nicht gefasst werden soll. ausserdem versuche ich TARIK HUSOVIC daran zu erinnern das naser oric, einer der grausamsten beteiligten im krieg (der sogar eine beachtliche videosammlung von gequälten serbischen kindern, frauen und männern in seinem regal hat, alles schön aufgenommen während sie "schön" abgeschlachtet wurden) freigelassen wurde und er feierlich in sarajevo empfangen wurde. erneuter versuch serbiens die welt für dumm zu verkaufen?!

    ich würde mich mal an meine eigene nase fassen, wäre ich sie, lieber tarik...

  • A
    Aleks

    zum Kommentar von Michael Kohlhaas.

     

    Diese Soldaten konnten nich an der Belagerung von Sarajevo monatelang beteiligt gewesen sein da dies zu Beginn des Krieges geschehen ist. Und der Angriff auf den Marktplatz: Infomieren Sie sich mal richtig. Es ist dokumentiert das der Angriff von der moslemischen Seite geschehen ist. Ach ja dokumentiert nicht von Serben sondern von unabhängigen Beobachtern. Wenn man kein Hintergrundwissen hat solle man es vermeiden solche Kommentare zu schreiben

  • A
    aleks

    Herr Erich Rathfelder sollte sich einen neuen Job suchen. Wie kann mann so einen Artikel schreiben ohne Hintergrundwissen. Bei den abziehenden Soldaten hat es sich um Soldaten der JNA gehandelt und wenn Sie sich mal die Namen der getöteten und verwundeten Soldaten anschauen werden Sie sehen das alle Volksgruppen vertreten waren. Der Abzug damals ist so vereinbart worden. Die Soldaten bzw. Soldaten in der Grundausbildung wurden regelrecht hingerichtet. Da es sich ja zum größten Teil um serbische Tote handelt ist dies ja nebensächlich.

     

    Gruss an die Redaktion

  • EB
    Ein Bosnische Trotel

    Natürlich das Herrn Kristopf hat keine Ahnung über Gerechtigkeit. Alles ist nur politisches Komplott Serbische Regierung mit mächtige Hintergrund Mafia aus Groß Britannien. Bosnischen Widerstands Held Ganic sollte gleich gestellt sein wie Karadzic. Dass kann dauert nur einige Tage weil Britische Gericht System funktioniert einwandfrei. Her Kristopf ich möchte sehen deine Reaktion nach den Gerichtsentscheidung in einige Tage. In Voraus sage ich: Schäme dich!

  • TH
    Tarik Husovic

    Ejup Ganic ist hier Opfer eines erneuten Versuchs von Serbien die Welt für dumm zu verkaufen, wie sie es lange in den 90ern gemacht haben. Ganic als Kriegsverbrecher darzustellen, obwohl das internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag die Untersuchungen gegen Ganic eingestellt hat ist eine Schande. Die serbische Regierung deckt schon seit fast zwei Jahrzehnten Mörder und Vergewaltiger (u.a Massenmörder Mladic) und liefert diese nicht nach Den Haag aus. Das zeigt das die serbische Regierung, genau wie ihr Anführer Karadzic nichts bereut und unbelehrbar ist. Ein schreckliches Zeichen, das Serbien als potentielles EU- Mitglied gilt. Meiner Meinung nach hat Serbien nichts in der EU verloren.

  • AM
    Ahmet Memic

    Für Serben und solche wie sie Herr Christoph sind alle Bosnier Krigsverbrecher.Gerechtigkeit hat jeder verdient, Herr Ganic ist nach dem Ende von der Serbische Genozid(von Internazionale Kriegstribunal bestätigt) in Bosnien überal auf dem Welt gewesen und weil nur für Serben jeder Bosnier Kriegsverbreche ist soll er nach Serbien ausgelifert werden, wenn er ein Krigsverbreche ist dann wurde er sich warscheinlich wie alle Krigsverbrecher verstecken(wie z. Mladic und Karadzic und)und nicht so wie alle andere Bosnier frei bewegen .

  • MK
    michael kohlhaas

    @ christoph

    "Gerechtigkeit haben auch die toten Serben verdient"

     

    ach ja? jene soldaten, die zuvor monatelang sarajevo belagert und beschossen haben! den tod von tausenden unschuldigen zivilisten in kauf genommen. erinnern sie sich noch an den angriff auf den marktplatz? niemand konnte wegen diesen soldaten und scharfschützen aus den häusern! so schnell vergessen?

  • C
    Christoph

    Natürlich ist Ejub Ganic ein Kriegsverbrecher. Er hat das Töten der verwundeten Soldaten befohlen.Und warum sollte Ganic unschuldig sein. Die taz zeigt hier mal wieder die Voreingenommenheit gegenüber den Serben. Das hat nichts mit kritischen Journalismus zu tun. Gerechtigkeit haben auch die toten Serben verdient.