Festliche Unterzeichnung: "Tiefsitzende Vorurteile"
In ganz Europa erstarkt der Antitsiganismus. Umso wichtiger, dass Bremen eine Rahmenvereinbarung mit den Sinti und Roma schließt, sagt Romani Rose.
taz: Herr Rose, wie wichtig ist Ihnen die Rahmenvereinbarung, die Sie heute im Rathaus unterzeichnen?
Romani Rose: Sie ist für uns ein sehr wichtiges Symbol – vor allem, weil sich Bremen in der Präambel zur Verantwortung für den Holocaust bekennt. Außerdem ist Bremen erst das dritte der 16 Bundesländer, das mit uns eine solche Vereinbarung schließt.
Wer noch?
Das erste Land war Rheinland-Pfalz, mit Kurt Beck, das zweite war Bayern, noch unter Edmund Stoiber, was viele überrascht.
Der ist ja seit 2007 nicht mehr Ministerpräsident – das ist also schon eine ganze Weile her: Warum hat es in Bremen so lange gedauert mit der Vereinbarung?
Es hat in Bremen nicht lange gedauert: Der einzige Wermutstropfen sind hier die Zuwendungen für unseren Landesverband.
Die sind 2007 um 16.000 Euro gekürzt worden…
Ja, und seither hat man sie nicht wieder aufs Ausgangsniveau angehoben.
Aber Bremen muss ja auch sparen!
Dafür habe ich Verständnis. Allerdings: Wenn ein Verband für eine Minderheit einstehen soll, muss man ihm ja auch die Mittel dafür zugestehen. Aber insgesamt verliefen die Verhandlungen sehr zügig: Wir haben damit vor einem Jahr begonnen…
… und sind zufrieden?
Unsere bisherigen Erfahrungen sind bestätigt worden: Jens Böhrnsen steht in einer guten Tradition der Bremer Bürgermeister. Seit Hans Koschnick haben die uns immer mit Respekt behandelt. So hat Klaus Wedemeier dafür gesorgt, dass der Bundesrat jedes Jahr am 16. Dezember Heinrich Himmlers Auschwitz-Erlasses gedenkt…
… der Erlass, der die Sinti und Roma zur Deportation ins Vernichtungslager bestimmt hat…
Für uns ist es sehr wichtig, an diesem Tag mit sämtlichen Ministerpräsidenten sprechen zu können.
Warum haben diese symbolischen Akte so viel Bedeutung für Sie?
Wir sind als Minderheit nach wie vor mit extrem tief-sitzenden Vorurteilen konfrontiert. In Schleswig-Holstein etwa, wo die friesische und die dänische Minderheit durch die Landesverfassung besonderen Schutz genießen, hat die Regierung von Harry Peter Carstensen abgelehnt, uns anzuerkennen – weil wir nicht landestypisch wären: Dabei werden dort Sinti um 1400 erstmals urkundlich als Siedler erwähnt und sind seither ununterbrochen heimisch. Und die sollen da nicht landestypisch sein? Ist dort nur landestypisch, wer blond ist und blauäugig? Da kann man ja nur lachen.
Diese alten Vorurteile erstarken in ganz Europa, und vor allem im Südosten.
Das ist wahr: Seit 2005 sind in Tschechien 19, in Ungarn 11 Roma von Rassisten ermordet worden. In der Slowakei hat ein Polizist im vergangenen Jahr ein Blutbad unter Roma angerichtet. Überall gibt es Rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien von Berlusconi in Italien über Jobbik in Ungarn und Le Pen in Frankreich – wo der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy europäisches und nationales Recht gebrochen hat – indem er Roma nach Rumänien abgeschoben hat.
So weit geht der Antitsiganismus in Deutschland nicht.
Zum Glück, ja. Aber während Deutschland seiner historischen Verantwortung gegenüber Israel gerecht wird, nimmt es derartige Ausschreitungen seiner Partner in der EU hin – ohne eine Äußerung, ohne auch nur ein Wort des Protests. Das trifft uns sehr.
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