Festlandeis geschmolzen: 1.500 Kubikkilometer weg
Seit den 90ern hat sich die Schmelze des Festlandeises beschleunigt. Würde das gesamte Grönlandeis abtauen, stiege der Meeresspiegel um sieben Meter.
BERLIN taz | Am Sonntag wird es tauen in Frederikshåb. Der Wetterbericht sagt dem 2.000-Einwohner-Städtchen an der Westküste Grönlands am Abend 2 Grad plus voraus. Und das, obwohl es doch eigentlich schon Winter ist in Grönland. Im Sommer liest sich der Wetterbericht für Frederikshåb immer häufiger so: sonnig, mild, 18 Grad Celsius. Selbst für Jakobshavn gibt es solche Vorhersagen oft. Dabei liegt die drittgrößte Stadt Grönlands weit über dem Polarkreis am Ilulissat-Gletscher, der sich täglich bis zu 20 Meter krachend in Richtung Westen schiebt.
Satellitenmessungen und ein Computermodell bestätigen nun: Was der Wetterbericht meldet, bleibt für Grönlands Eisdecke nicht folgenlos. Die Berechnungen zeigen, dass sich der "Verlust des Grönlandeises seit Ende der 90er-Jahre stark beschleunigt hat", schreibt Jonathan Bamber von der britischen Universität Bristol im US-Fachmagazin Science. Die Ursachen legten nahe, dass sich dieses Phänomen in der nahen Zukunft fortsetzen wird, so der Mitautor der Studie.
Von 2006 bis 2008 schmolzen jährlich etwa 273 Kubikkilometer Grönlandeis. Seit 2000 verlor die Eiskappe so insgesamt 1.500 Kubikkilometer. Zur Verdeutlichung: Dies entspricht einem Quader mit einer Kantenlänge der Strecke von Köln nach Dortmund (100 Kilometer), einer Breite von 15 Kilometern und einer Höhe von 1 Kilometer.
Was nicht ohne Folgen für den Meeresspiegel blieb: Allein das schmelzende Grönlandeis ist laut der Studie für einen Anstieg des Meeresspiegels um etwa 0,75 Millimeter pro Jahr verantwortlich. Dies bedeutet einen Anstieg der Ozeane um 5 Millimeter seit 2000. Ein Teil des Schmelzwassers auf der Eisdecke gefriert unter der winterlichen Schneedecke wieder, sonst wäre der Eisverlust sogar doppelt so groß.
Würde das gesamte Grönlandeis abtauen, stiege der Meeresspiegel um sieben Meter. Mehr als 1,5 Milliarden Menschen leben in Städten an den Küsten, die dann komplett unbewohnbar wären. Schon heute haben viele Städte Probleme, sich an den steigenden Meeresspiegel anzupassen. So funktioniert beispielsweise das New Yorker U-Bahn-Netz nur noch, weil das ständig einbrechende Wasser mit Riesenaufwand abgepumpt wird. In Venedig sind dieser Tage die Fundamente für das 4,5 Milliarden teure Projekt "Mose" gegossen worden: Riesige Stahlwälle sollen Venedig vor den steigenden Fluten schützen.
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