Festivalveranstalter Timo Valtonen: „Tango hilft uns“

Zum zweiten Mal veranstaltet er das größte Festival für finnischen Tango außerhalb Finnlands: Timo Valtonen über den Zauber des Tanzens & die Nöte der Großstädter.

Wer Tango nur mit Argentinien verbindet, denkt zu kurz. Bild: DPA

taz: Herr Valtonen, Sie veranstalten in Hamburg zum zweiten Mal das größte Festival für finnischen Tango außerhalb Finnlands. Was macht Tango heute interessant?

Timo Valtonen: Es ist einfach Zeit. Wir haben in den letzten Jahrzehnten durch die Technologie-Anhimmelung viel verloren von einer Unmittelbarkeit des Spürens. Wir sind alle gestresst, haben kaum Zeit und Gelegenheiten für unser eigenes Gefühl. Tango hilft uns, an diese Schichten heranzukommen und andere Paarerlebnisse zu haben. Die wichtigste Aufgabe ist heute, das Gefühl und die Kultur zu verteidigen.

Finnischer Tango gilt als traurig und melancholisch. Wo bleibt die Freude?

Die Finnen haben schon lange einen wichtigen Spruch: Das Spielen ist aus Sorgen gemacht. Wenn man sich traurigen Gefühlen hingibt, erlebt man auch die Freude ganz anders. Es ist tief im alten kulturellen Verständnis verankert, mit der Trauer spielerisch umzugehen.

Ist der Tango deshalb vor hundert Jahren in Finnland auf so fruchtbaren Boden gestoßen?

Die Finnen waren bis vor ein paar Jahrzehnten unglaublich naturverbunden. Die finnische Natur hat eine besondere Dramatik: Es gibt wahnsinnige Unterschiede in den Lichtverhältnissen, alle vier Jahreszeiten sind dort stark ausgeprägt. Im Tango gibt es auch so eine Dramatik, das passt dann irgendwie. In Finnland ist der Tango auf dem Land groß geworden, deshalb ist die Natur bis heute zentral. Es geht natürlich immer um Liebe, aber Vollmond, Wasser, Seen, Blumen stehen als Symbol für den Verlauf eines Gefühls.

Bis heute ist der Tango im finnischen Alltag verankert. Sie haben das als Kind erlebt, als Ihr Vater nach dem sonntäglichen Bingo Tangos aufgelegt hat.

Die Begeisterung für Tango ist ungebrochen, jedes Kaff hat einen Tanzplatz. Ich habe als Kind dort eine unheimlich dichte Atmosphäre erlebt. Wenn mein Vater aufgelegt hat, hatte ich das Gefühl, dass ganz dicke Gefühlsschichten an den Wänden hängen, dass da viel entstand. Die gängige Bezeichnung für diese Stimmung ist in Finnland „Tangon Taikaa“: Zauber des Tangos.

wuchs auf einem Bauernhof im finnischen Karelien auf, wo sein Vater im Anschluss an sonntägliche Bingo-Abende Tangos auflegte. Mitte der 1990er gab er sein erstes Tangokonzert in der Finnischen Seemannskirche in Hamburg, deren Kantor und Konzertveranstalter er war. Seit 2003 ist Valtonen Sänger von Deutschlands populärster Band für finnischen Tango, "Tangon Taikaa". Seit letztem Jahr organisiert er in Hamburg das "FINTango"-Festival.

Selbst Tangos gesungen haben Sie aber erst in Hamburg.

Ich hatte irgendwie das Gefühl, man bräuchte sowas auch hier. In den 90ern hatte ich meine erste Formation, als ich Kantor und Konzertveranstalter der Finnischen Seemannskirche war. Schon bei den ersten Tangoveranstaltungen war der Platz voll. Viele junge Leute sind gekommen. Auch beim Konzert in der Flora Ende der 90er war es rappelvoll. Hamburg war damals schon die erste Adresse für finnischen Tango. Seit 2003 singe ich in der Band „Tangon Taikaa“.

Tanzt man in Finnland den Tango anders als in Argentinien?

Ja, es ist nicht wichtig, wie man sich nach außen präsentiert, was für Klamotten man trägt. Man fordert keine komplizierten Schritte, stellt an sich nicht so hohe Ansprüche, das macht es freier. Es geht um das Spüren des anderen, etwas, was man sonst in der verbalen Welt selten erlebt.

Ist das Publikum auch ein anderes?

Argentinischer Tango ist spezifischer, das sind feinere Leute zwischen 30 und 50. Finnischer Tango gefällt Leuten aus allen Altersschichten. Auch ganz kleine Kinder mögen ihn, weil er so gemütlich ist. Ein Ziel des Festivals ist es, diese gemütliche Atmosphäre entstehen zu lassen und den Leuten zu sagen: Probiert es einfach!

Vor dem Altonaer Museum wird es eine mobile Sauna geben. Gehören Saunen und Tanzen zusammen?

Sauna ist auch etwas, wo man zu sich kommt. In Finnland gibt es dafür keine Regeln, weil alle es so gut fühlen: Wie ist mein eigener Anspruch ans Saunen und ans Kollektive? Das wird so automatisch verbunden, dass du es nicht merkst. Keiner macht Stress in der Sauna und so soll es auch beim Tanzen sein. In Finnland ist Samstag Saunatag. Man geht in die Sauna und dann zum Tanzen. Das sind feste Rituale. Letztes Jahr konnte man auch auf dem Festival Leute in Saunahandtüchern tanzen sehen.

Was gibt es auf dem Festival zu hören und sehen?

Wir haben Konzerte unter anderem mit der Tangoprinzessin Sanna Pietiäinen, dem Duo Beltango und Johanna Juhola, die Tango mit Elektronik mischt. Eine Ausstellung von Maarit Niiniluoto zeigt schöne Aufnahmen von den Tanzplätzen aus den 70ern. Ein Raum präsentiert den wichtigen Tangokomponisten Toivo Kärki. Außerdem zeigen wir die Tango-Doku „Mittsommernachtstango“ und im Tangodorf vor dem Altonaer Museum kann man die ganze Zeit über Tangos hören und tanzen.

■ Fr, 19. 9. bis So, 21. 9., Altonaer Museum und Alfred-Schnittke-Akademie. Infos und Programm: www.fintango.de

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