: Festival mit Jumbomischung
■ Jübeck Open-Air mit Musik und Trank / Lagerfeuer zum Grillen der Zelte
25.000 Menschen zog es am Wochenende zum Jübeck Open Air '91. In seinem Grußwort hatte Björn, der Chef vom Land, allen Mitwirkenden „starke musikalische Erlebnisse bei gutem Wetter“ gewünscht. Knapp 40 Bands rockten drei Tage lang, bis das Bier in den Plastikbecher vibrierte. Ein eregnisreiches Wochenende mit zwei staubtrockenen Tagen und einem verregneten Sonntag.
Im Mittel war am letzten Tag eine Gesichtsalterung von rund zehn Jahren bei den meist jugendlichen Festivalbesuchern festzustellen. Dabei hatten sich die Geschäftsführer des Veranstalters, Christian Ploppa und Arthur Peter, bemüht, endlich das Image vom Säuferfestival zu beseitigen. doch doch Fans hatten das wohl nicht so ganz mitbekommen, und so war das Ehrrührige Trockenunternehmen Jübeck '91 ein Flopp.
Mit Gianna Nannini und Bryan Adams hatte man sich moderatere Zugnummern als in den vergangenen Jahren organisiert. Country- und Folkloreklänge erzeugten im Cafezelt mit der kleinsten der drei Bühnen eine besondere Athmosphäre. Doch gegen den Durst der Fans war kein Mmusiker gewachsen: Die Bierstände waren auch in diesem Jahr wieder die Attraktionen des Festivals.
Auffallend gut organisiert waren die Besucher, als es darum ging, Flüssignahrung mit auf das strengbewachte Rock-Gelände zu schmuggeln. Plastikkanister waren im Festivalinnenraum in diesem Jahr erstmals verboten — Not macht erfinderisch: Und so wude der 1,5 Liter Jumbobecher kreirt, eine Cola-Plastikflasche mit abgeschnittenem Hals, randvoll mit Spezialmischungen. Hohe Flammen sollten in diesem Jahr vermieden werden, um das flächendeckende Abfackeln der Besucherzelte vom letzten jahr in Grenzen zu halten. Also entstanden flache Feuer mit mehreren Quadratmetern Durchmesser, natürlich nur zum Grillen.
Ach ja, da war noch etwas, Musik: Am Freitag hatte die Bremer Combo „M. Walking On The Water“ mit ihrem eleganten Psycho-Folk einige tausend Zuschauer angetörnt, erst da ging das Festival so richtig los. Recht heftig ging es dann etwas später mit der „Fuckin' Kius Band“ vor der überfüllten Zeltbühne ab. Mit einer Abstimmung trat die Band dabei der Volksmeinung entgegen, nach der 80% ihrer Fans Analphabeten seien. „Wer von euch war schon mal in der Schule“, fragte der Fuckin Kuis und fand das Abstimmungsergebnis in offener, nicht- geheimer Wahl überzeugend.
Abends um zehn kam Gianna Nannini. Die Italorockerin legte zwei Stunden lang richtig los und trieb mit ihrer Reibeisenstimme auch bei ruhigeren Stücken wellenweise Gänsehäute über die Rücken der Zuschauer. Ganz spät kamen die „Leningrad Cowboys“ direkt von der Breminale auf die Jübecker Bühne, ein Haufen mörderisch langer Haartollen. Mit einer Mischung aus Micky Maus-und Blues-Brothers-Show trafen sie genau den Gesammtdurchschnittsalkoholpegelder tobenden Massen.
Am Samstag stand für den Vormittag für die meisten Entspannung auf dem Programm. „Willy De Ville“ und auch die dannach auftretenden „Jeremy Days“ spielten nachmittags mehr mäßig vor wenig Publikum. Als Extragast eröffneten die „Godfathers“ das Abendprogramm und legten mit hartem Gtarrenrock einen Superauftritt hin. Beim Auftritt des Samstagszugpferdes Bryan Adams wurde im Gesicht des Kanadiers deutlich, daß das Leben auf der Bühne genauso hart ist wie das davor: Die Videoleinwand mit Nahaufnahmen brachte den Beweis, das Bryans an diesem samstag zu den Gesichtsältesten des Festivals gehörte. Bei seinem Konzert ließ er aber keine Wünsche offen: Zwei Stunden regnete es Ohrwürmer.
Nach den Popklängen begann die direkte Warmtrinkphase für viele Festivalbesucher. Dann war „Torfrock“ angesagt und nach über zwei Stunden Gassenhauern waren wirklich fast alle heiser.
Am Sonntag zog es die meisten Festivalbesucher im strömenden Regen zur Katerpflege nach Hause. Independendmusik war für den tag des Herrn angesagt, aber nur wenige hielten nach der Absage von „Fields Of The Nephilim“ noch bis zum Auftritt von „The Alarm“ aus. V.K.
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