Fernwärme statt Wärmepumpe: Schützt die Mieter!

Die Grünen machen bei der Wärmepolitik im Augenblick die Drecksarbeit für die, die noch aus jeder gesellschaftlichen Großkrise als Gewinner hervorgegangen sind.

Klimaneutrale Fernwärme: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock besichtigt das Gelände des Bohrplatzes Tiefengeothermie in Potsdam Foto: picture alliance/dpa

Von UDO KNAPP

taz FUTURZWEI, 04.04.2023 | Für eine ökologisch erfolgreiche Klimapolitik ist das Verbot des Einbaus neuer Gasheizungen ab 2024 und die damit verbundene Wärmewende mit der Wärmepumpe ein „game changer“.

In der Bundesrepublik leben 42 Prozent aller Bürger in Eigenheimen und Eigentumswohnungen. Werden, wie derzeit praktiziert, pro Jahr weiter etwa 250.000 Wärmepumpen eingebaut, wären es 2030 schon um die 1,5 Millionen. Damit wäre dann ein auf 2030 vorgezogener Komplett-Ausstieg aus der Kohleverstromung realistisch, denn die auf eigenproduziertem Strom basierte Wärmeerzeugung mit der Wärmpumpe macht Kohlestrom überflüssig. Der dafür gebrauchte Strom wird mit Photovoltaik auf den Eigenheimdächern selbst produziert. Die Effizienz der Wärmepumpe wird erhöht durch die geförderte Sanierung jeglichen Wohneigentums mit Fußboden- oder Wandheizungen, einer Dämmung aller Außenwände und Dächer und Stromspeichern.

Refinanzierung binnen zehn Jahren

Dieses Komplettpaket „Eigenheim-Wärmewende“ kostet derzeit zwischen 70.000 und 100.000 Euro für 120 Quadratmeter Wohnfläche. Diese Investition refinanziert sich nach Beispielrechnungen der Verbraucherzentralen innerhalb von fünf bis zehn Jahren. Denn der Eigenheimbesitzer hat neben Zuschüssen, die er aus verschiedenen Förderprogrammen in Höhe von bis zu 40 Prozent der Gesamt-Projektkosten erhält, auch keine externen Energiekosten mehr. Seinen für den Eigenbrauch nicht genutzten Strom speist er – vergütet – ins öffentliche Netz ein. Sein Wohneigentum ist unabhängig von jeder externen Energie- und Wärmeversorgung und damit zu einer privaten, nachhaltig autarken Energieinsel geworden.

Etwa 57 Prozent aller Bürger leben allerdings in Mietwohnungen. Sie finanzieren mit Mieterhöhungen und Steuern diese historisch beispiellose Wertsteigerung privaten Eigentums. Die Eigentümer von Mietshäusern werden zwar in Zukunft durch die CO2-Bepreisung und die daraus für sie folgenden Abgaben auch an den Kosten der Energie- und Wärmewende beteiligt, aber sie haben auch Anspruch auf massive Förderung für die energetische Sanierung ihrer Mietshäuser. Sie dürfen 33 Prozent der Kosten für diese Sanierung und eine fossilfreie Wärmeversorgung auf die Kaltmieten ihrer Mieter umlegen. Angesichts der wegen Wohnungsmangel und privater Spekulation ungebremst steigenden Wohnungsmieten ist das ein Drama mit Ansage – bisher ohne Antwort der Politik.

Die von der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP auf den Weg gebrachte Wärmewende erweist sich damit als ordinäre Umverteilung der Transformationskosten von oben nach unten, von den Eigentümern zu den Mietern und Steuerzahlern.

Dabei geht es auch anders.

In vielen Gemeinden und sogar Städten der Republik werden kommunale, öffentliche oder genossenschaftliche Stromversorgungs- und Fernwärmenetze aufgebaut. In Energiegenossenschaften wird mit großflächigen Photovoltaikanlagen, Windrädern und Geothermie eine lokale Strom- und Wärmeinfrastruktur aufgebaut. Sie gehört allen beteiligten Bürgern und garantiert die Energie- und Wärmeversorgung des ganzen Dorfes oder der Stadt dauerhaft zu relativ stabilen Preisen. Energie und Wärme sind in diesen Orten zu öffentlichen Gütern geworden.

Gemeinschaftsprojekt Fernwärme

In den großen Städten der Republik, in den neuen Bundesländern sowieso, gibt es funktionierende Fernwärmenetze, die nur auf das jeweilige gesamte Stadtgebiet ausgeweitet werden müssten, um überall eine fossilfreie Wärme- und Stromversorgung anbieten zu können. Mit einer genossenschaftlichen oder kommunalen Strom- und Wärmeerzeugung könnte eine sich durch die Ampel-Wärmewende vertiefende Spaltung der Bürger in öffentlich geförderte, sich ökologisch selbstversorgende, nahezu autarke Eigenheim- und Eigentumsbesitzer und die Mehrheit der Mieter, die erstere finanzieren müssen, vermieden werden.

Die Energie- und Wärmewende könnte mit einer Priorisierung der Fernwärme zu einem großen Gemeinschaftsprojekt aller Bürger und ihrer Kommunen werden. Fernwärme wäre auch für viele ältere Eigenheimbesitzer oder solche mit nur niedrigeren Vermögen von Vorteil. Sie würden von Einbauprozedur, Handwerkersuche und vielem anderen entlastet. Ihr Eigentum würde nicht angetastet, sondern sinnvoll eingefügt in öffentliche Versorgungsnetze und ähnlich, wie bei der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, sogar werterhaltend und dauerhaft gesichert. Die Ampel-Regierung könnte so alle Fördermittel auf öffentliche Wärme- und Energienetze konzentrieren und diese Projekte im Wettbewerb untereinander erfolgsabhängig fördern.

Jede Förderung der Eigenheimbesitzer zu Lasten der Mieter und Steuerzahler ist überflüssig. Wer sich mit viel Aufwand ein Eigenheim geschaffen hat, ohne kaum für die externen Kosten aufkommen zu müssen, die dabei für die Allgemeinheit entstanden sind, der wird auch in der Lage sein, die Transformationskosten in seine autarke Energie- und Wärmezukunft selbst zu stemmen.

Die Wärmewende, wie sie jetzt von der Ampel auf den Weg gebracht wird, zeigt immerhin: Alle Parteien haben begriffen, dass es zur Transformation in die nachfossile Gesellschaft keine zukunftstaugliche Alternative mehr gibt. Auf der Basis dieser Übereinkunft ist nun zu klären, wer diese historische Wende bezahlen kann und muss.

Dass SPD und FDP kein Interesse daran zeigen, die Klimapolitik durch kluge strukturelle Reformen aller sozialen Systeme auch mit Verteilungsgerechtigkeit zu verbinden, verwundert nicht. Die SPD kann nicht so weit denken, und die FDP will das nicht. Enttäuschend ist, dass die Grünen, die die Volkspartei der großen Transformation sein wollen, mit ihrer ansonsten klugen und handlungsstarken Arbeit im Wirtschafts- und Klimaministerium bei der Wärmepolitik im Augenblick die Drecksarbeit für diejenigen machen, die noch aus jeder gesellschaftlichen Großkrise als Gewinner hervor gegangen sind.

UDO KNAPP ist Politologe und kommentiert an dieser Stelle regelmäßig das politische Geschehen für taz FUTURZWEI.

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