Fernwärme in Mitte Altona: Mogelpackung Modellquartier
Fernwärmeversorgung für Mitte Altona widerspricht Bebauungsplan, sagt Ex-Staatsrat Maaß. Zudem werde die Öko-Fernwärme doppelt verbucht.
HAMBURG taz | Das Neubaugebiet Mitte Altona sollte ein Modellquartier für den Klimaschutz werden – folgt man den Kritikern ist das Ganze aber ein Mogelpackung.
Wie der ehemalige grüne Staatsrat Christian Maaß in einem Gutachten für die Firma BZE Ökoplan ausführt, widerspricht die geplante Fernwärmeversorgung dem Bebauungsplan. Außerdem verletze das Angebot von Vattenfall-Fernwärme das Doppelvermarktungsverbot für Erneuerbare Energie.
In Altona sollen auf ehemaligem Bahnhofsgelände im ersten Abschnitt 1.600 Wohnungen entstehen. Das neue Quartier sollte im Sinne des Klimaschutzes an ein Wärmenetz angeschlossen werden, „das überwiegend mit erneuerbaren Energien versorgt wird“. Außerdem sollte es laut Bebauungsplan darum gehen „die Anteil dieser Wärmeversorgungsart zum Schutz des Klimas zu erhöhen“.
46 Prozent teurer
Dazu schlossen die Grundstückseigner mit Vattenfall einen Vertrag über die Lieferung von „Fernwärme Natur Mix“, der zu 40 Prozent herkömmlich erzeugt wird und zu 60 Prozent durch Verbrennung von Holz und Biogas. Die Bio-Wärme wird schon heute ins Netz gespeist. Für die Mitte Altona wird davon ein Anteil rechnerisch dem Natur Mix zugeordnet – wofür die Bezieher 46 Prozent mehr bezahlen müssen.
Ein gutes Geschäft für Vattenfall? „Das liegt schlicht am Brennstoff“, lautet die schlichte Antwort von Vattenfall-Sprecherin Karen Kristina Hillmer auf die Frage, warum der Natur Mix teurer sei.
Maaß kritisiert, dass der Natur Mix die Vorgaben der Stadt nicht erfülle, denn darüber wie erneuerbare Energien bei der Fernwärme angerechnet werden, gebe es anders als beim Strom oder Gas keine Regeln. Abgesehen davon werde die Mitte Altona gar nicht aus einem Netz beliefert, das überwiegend mit erneuerbaren Energien gespeist wird, „sondern nur zu 13,8 Prozent“.
Doppelte Vermarktung
Zudem werde das Doppelvermarktungsverbot verletzt. Vattenfalls Fernwärme werde wie andere Energieträger nach der Energieeffizienz und Klimafreundlichkeit bewertet. Vattenfalls Fernwärme schneidet dabei gut ab, nicht zuletzt wegen des Bio-Anteils. Alle Hauseigentümer, die diese Fernwärme beziehen können, dürfen anderswo Abstriche bei der Wärmedämmung und der Nutzung erneuerbarer Energien machen.
Daran ändere sich nach den geltenden Regeln auch nichts, wenn grüne Fernwärme wie für den Natur Mix gesondert verkauft wird. „Dadurch wird die ‚grüne‘ Eigenschaft doppelt klimapolitisch in Anspruch genommen und doppelt wirtschaftlich verwertet“, schreibt Maaß. Und der Senat habe nichts getan, um das zu verhindern.
Nur scheinbar ökologisch
„Es ist ein Betrug am Klimaschutz“, sagt Schwarzfeld von Ökoplan. Wegen der scheinbar ökologischen Fernwärme würden die Häuser in der Mitte Altona klimaschutztechnisch mit dem Standard von 1968 gebaut.
Der Senat kann „nach jetzigem Kenntnisstand“ eine Doppelbilanzierung nicht erkennen. Die Argumente würden sorgfältig geprüft, teilt die Umweltbehörde mit. „Klar ist, dass man erneuerbare Energien nicht doppelt verkaufen kann.“ Vattenfall wiederum beruft sich auf die Angaben der Stadt: „Wir haben unser Angebot abgegeben; das wurde von der Behörde geprüft und für gut befunden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren