piwik no script img

■ FernsehskandalBBC ließ sich von der Sexsucht verführen

London (epd) – Die Londoner BBC will das Boulevardblatt Sun wegen „vorsätzlicher Täuschung“ verklagen. Das Blatt hatte eine Reporterin losgeschickt, um sich für eine BBC-Dokumentation als „sexsüchtige Kellnerin“ auszugeben. Der Film „Addicted to Love“, der am kommenden Sonntag gesendet werden sollte, wurde aus dem Programm gekippt. Die „undercover operation“, so die Sun auf dem Titel, habe zeigen sollen, wie leicht es für Schwindler sei, Dokumentarfilmer hinters Licht zu führen. Mit der gleichen Methode hatte die Sun – ein Blatt aus dem Hause des BBC-Konkurrenten Rupert Murdoch – auch Prominente u. a. wegen Drogenkonsums vorgeführt.

Die Reporterin hatte auf eine Anzeige im Guardian geantwortet, mit der Teilnehmer an der Sendung gesucht wurden. Sie gab an, in einer Londoner Kneipe zu arbeiten, könne jedoch aus Angst um ihren Job den Namen des Lokals nicht angeben. Die Reporterin, die drei Tage lang gefilmt und interviewt wurde, hatte die kürzlich von der BBC eingeführte „Ehrlichkeitsklausel“ unterschrieben, wonach ihre Mitwirkung „einen ehrlichen und aufrichtigen Beitrag“ darstelle.

Matthew Bannister, Chef der BBC Produktionssparte, sagte dazu laut BBC online: „Wessen Interessen genau werden durch diese vorsätzliche Täuschung bedient?“ Eine „berechnende und ausgedehnte Irrführung wie diese liegt jenseits nachvollziehbarer Grenzen“, schimpfte er. Die „Ehrlichkeitsklausel“ war eingeführt worden, nachdem mehrere Talkshowgäste vom Mirror als Schwindler entlarvt worden waren. So hatte ein Mann, der sich als „sexsüchtiger Frauenhasser“ ausgab, mehrfach in Tagestalkshows von BBC und ITV auftreten können, ohne daß die Redaktionen Verdacht schöpften. Ferner gibt es in London Agenturen, die sich darauf spezialisiert haben, den Shows das jeweils zum Thema passende Personal zu liefern. Die BBC wird eine ihrer beiden Bekenner-Talkshows, „Vanessa“, die sie erst im letzten Jahr vom ITV übernommen hatte, nächsten Monat einstellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen