Fernsehserie empört Israel: Tote Palästinenserkinder
Ankara vollzieht einen Strategiewechsel im Nahen Osten: Die Türkei strebt ein Bündnis mit dem Irak und Syrien an. Israel kritisiert Antisemitismus im türkischen Fernsehen.
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ISTANBUL taz | Das palästinensische Mädchen drückt sich verängstigt an die Wand und schaut mit aufgerissenen Augen auf einen israelischen Soldaten. Dieser drückt ab und wendet sich dann routiniert von dem toten Kind ab. Die Szene gehört zum Trailer einer großen Serie, die das türkische Staatsfernsehen TRT seit dieser Woche ausstrahlt.
Die Serie mit dem Namen "Ayrilik" (Trennung) wimmelt von antisemitischen Klischees und soll den Kampf der Palästinenser seit der Unabhängigkeit Israels darstellen. Sie ist ein Mammutprojekt des Staatsfunks, politischer Berater ist ein führender Kolumnist der regierungsnahen Zeitung Yeni Safak.
Gestern bestellte Israels Regierung den türkischen Botschafter in Tel Aviv ins Außenministerium ein und beklagte sich über die "mediale Hetze". Außenminister Avigor Liebermann sagte, einen so demagogischen Film könne er sich kaum im Fernsehen eines verfeindeten Staates vorstellen, "jedoch nicht in einem Land, mit dem wir diplomatische Beziehungen haben".
Israels Protest kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Beziehungen beider Länder einen Tiefpunkt erreicht haben. Die Auseinandersetzung begann mit einer Kritik des türkischen Premiers Tayyip Erdogan an Israel nach dem Gazakrieg Ende letzten Jahres. Während des Weltwirtschaftstreffens in Davos verließ Erdogan wutentbrannt eine Diskussion mit Israels Präsident Schimon Peres.
Seitdem versucht die türkische Führung, ihr Image im arabischen Lager auf Kosten der Beziehungen zu Israel aufzupolieren. Letzter Eklat Anfang dieser Woche war die Ausladung Israels von einer Militärübung in der Türkei, an der auch die USA und Italien teilnehmen sollten. Danach blieben auch die anderen Partner dem Manöver fern.
Während israelische Sprecher damit keinen Strategiewechsel der Türkei verbunden sahen, machte Ankara deutlich, dass mehr als eine kurzfristige Verstimmung dahinter stecken könnte. Einen Tag nach der Absage reiste der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu nach Damaskus und baute mit seinem syrischen Kollegen die Grenzschranken ab. Künftig ist visafreies Reisen für Syrer in die Türkei möglich. Zudem kündigten beide Minister an, Möglichkeiten einer Militärkooperation auszuloten, um 2010 gemeinsame Manöver zu veranstalten.
Gestern reiste der türkische Ministerpräsident Erdogan nach Bagdad. Ziel ist es, ein Dreiecksbündnis Irak-Syrien-Türkei aufzubauen, um neue Akzente im Nahen Osten zu setzen. Ankara bestreitet zwar, dass diese Politik auf Kosten der bisherigen westlich orientierten Außenpolitik geht, die Provokation des türkischen Staatsfernsehens gegenüber Israel ist aber sicher mit der Regierungsspitze abgestimmt.
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