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Fernsehfasching

■ Schief im Sattel: die „Leningrad Cowboys“ im Aladin

Anfang des Jahres strapazierten die ,,Leningrad Cowboys“ sogar die Nerven ihrer loyalsten Fans nit einen kommerziellen Overkill: Gleich zwei belanglose Filme machten sie überpräsent auf den Kinoleinwänden der Republik, an jeder Ecke tauchten sie auf und spielten live, und das scheußliche Bier zun Film war ein ebensolcher Flop wie das Funktelefon zur Tour. Einst spielte sich die finnische Band, die so tut, als wäre sie eine russische Band, die so tut, als wäre sie eine amerikanische Band, mit Aki Kaurismäkis skurrilen Kult-Film ,,Leningrad Cowboys go America“ und einer rockkaberettistischen Bühnenshow in die Herzen des deutschen Publikums, dann wurde sie aber mehr und mehr zum Selbstplagiat. Auf Besserung besteht nach den Konzert am Sonntag im Aladin wenig Hoffnung.

Schon die Vorgruppe ließ Schlimmes befürchten. Aus welchem Dorf die ,,Dorfcombo“ gekrochen kam, wollte man lieber nicht wissen. Es handelte sich um genau die Art von abgehalfteter Show-Band, die die ,,Cowboys“ einst parodiert hatten. Ihre Hau-Ruck-Rock-Songs waren zum Zusammenkauern und Wimmern, ihre Balladen verursachten aus all den falschen Gründen Gänsehaut.

Da schlossen die Finnen mit den spitzen Schuhen und den spitzeren Haartollen nahtlos an. Zwar ging ihre Bühnendekoration aus riesigen Kakteen und Rentieren eine wunderbare Verbindung mit dem nicht eben geschnackvollen Interieur des Aladin ein, aber das war auch schon der einzige Hauch von Ironie, der sich beim lustlosen Herunterleiern von Rock-Evergreens und angedeuteten russischen Volksweisen einstellte. Am enttäuschendsten dabei waren noch die sketchartigen Zwischenspiele, die diese vielköpfige Formation einst zu etwas Besonderen machten. Ließen sie sich früher wirklich einiges einfallen, meinten sie jetzt schon komisch zu sein, wenn sie bloß englisch und deutsch radebrechten, so taten, als tränken sie Wodka oder einfach ungelenk herumhampelten. Auf Originalität oder gar Pointen wartete man vergebens. Spielte beispielsweise die obligatorische Elvis-Parodie in vorherigen Shows angenehm bösartig auf die Tablettensucht des King an, ist die neue Presley-Nummer nunmehr harmloser Mummenschanz mit einem dicken Mann im Glitzerdress, der nach jeder Phrase einen Tusch braucht, damit das Publikum den Witz findet. Das hatte mehr mit Fernsehfasching als mit Satire zu tun.

Der Funken sprang dann zunächst auch nur auf die über, die von vornherein aufs äußerste entschlossen waren, Spaß zu haben. Daß zum Schluß doch ein überraschend großer Teil der Anwesenden mitklatschte, muß daran gelegen haben, daß viele die ,,Cowboys“ hier zum ersten Mal sahen. Für die war es ein normales Rocckonzert mit komischem Dekor. Das wurde deutlich beim Schmachfetzen ,,Trough the Wire“: Er gefiel vor allem den unermüdlichen, Feuerzeug-Schwenkerlnnen, die vermutlich die ,,Guns'n'Roses“-Version von ,,Knocklin on Heaven's Door“ für einen Meilenstein modernen Musikschaffens halten.

Die „Leningrad Cowboys“ erspielen sich ihre Rente als Rock-Band. Leider sind die als Rock-Band schauderhaft.

Andres Neuenkirchen

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