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Archiv-Artikel

Fernsehauftritt mit Folgen

„Maulkorb-Erlass“ greift offenbar: Wenige Wochen nach einem kritischem TV-Beitrag verliert eine Uni-Dozentin ihren Lehrauftrag. Hochschule schweigt, Studierende fürchten ein Exempel

VON KAIJA KUTTER

Die Gerüchteküche brodelt, nachdem Universitäts-Präsidentin Monika Auweter-Kurtz Ende März den Professoren die freie Meinungsäußerung in der Presse untersagt hat. Er wisse von einer Dozentin, deren Lehrauftrag aufgrund eines TV-Interviews über die schlechten Arbeitsbedingungen „gestrichen wurde“, schreibt ein Student im Internet-Forum „Studiverzeichnis“. Ein anderer nennt den Namen: Die „gute Frau“ tue ihm „umso mehr leid, da sie eine der besten Dozentinnen war in sowi“.

Auch der taz wurde gestern eine E-Mail zugespielt, in der Ross und Reiter benannt werden: Eigentlich sollte Sabine Todt, habilitierte Historikerin am Fachbereich Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (Sowi), seit dem 2. April immer montags ein Mittelseminar abhalten. Das Thema: „Gender und Unternehmensgeschichte? Frauen als Unternehmerinnen von Christiane Fürstin von der Osten-Sacken bis Beate Uhse“.

Das tut sie aber nicht. „Seminar entfällt“, wurde kurzerhand mitgeteilt. Und das, obwohl nach taz-Information der Ausschuss für Lehre und Studium am Historischen Seminar bereits kurz vor Weihnachten 2006 den Lehrauftrag erteilt hatte und dieser auch im Vorlesungsverzeichnis steht.

Ist es nur Zufall, dass Todt sich nur wenige Wochen vor der Absage, am 1. März, in der Fernsehsendung „Monitor“ sehr kritisch über die Bedingungen von Lehrbeauftragten an der Uni geäußert hatte? Sie selbst habe Seminare umsonst gegeben, um den Anschluss an die Universität nicht zu verlieren, erklärte sie da vor der Kamera. „Es ist ja auch immer schwierig sich zu wehren, weil man ja im Grunde eine Festanstellung irgendwann möchte.“ Man sei in einer totalen Zwickmühle, müsse „im Grunde genommen angepasst sein und gleichzeitig seine Identität nicht verlieren“, so Todt weiter. „Und das ist wirklich schwierig.“

In dem Monitor-Beitrag ging es eigentlich um den Einsatz von 120 Ein-Euro-Jobbern an der Hamburger Uni. Am Tag der Dreharbeiten warnte Uni-Sprecherin Viola Griehl in einem Fax die sechs Dekane vor dem Team des Westdeutschen Rundfunks. Sie selbst habe der Monitor-Autorin „umfänglich Informationen geliefert“, schreibt Griehl darin. Der „Themenansatz“ der Frau vom Fernsehen lasse aber „Ungutes“ ahnen: Es sei davon auszugehen, dass ein „Verriss“ über die Situation an der Hochschule „geplant ist“. Sollte es an ihrer jeweiligen Fakultät Ein-Euro-Kräfte geben, riet sie den Dekanen, zu ihnen Kontakt aufnehmen, um „etwas ‚vorzubauen‘, welche Aussagen dem WDR gegenüber gemacht werden“.

„Ich habe gehört, dass Frau Todt wegen des Monitor-Beitrags ihren Lehrauftrag verloren hat“, sagt Sebastian Scheerer, Direktor des Instituts für kriminologische Sozialforschung. „Wenn das so ist“, fährt er fort, „ist es dringend skandalisierungsbedürftig.“

„Auch Lehrbeauftragte stehen unter dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit und haben das Recht, ihre Meinung zu äußern“, empört sich auch der Studierendenvertreter Bela Rogalla gegenüber der taz. An Frau Todt werden „ein Exempel statuiert“, weil sie trotz der Warnung aus der Pressestelle mit den WDR-Leuten gesprochen habe.

Ist es so? Sabine Todt selber sagt, sie stünde zu ihren Aussagen, will sich aber ansonsten gegenüber den Medien „nicht mehr äußern“. Und Uni-Sprecherin Griehl erklärt, dass es den vermuteten Zusammenhang mit dem TV-Auftritt nicht gebe. „Es ist aus Gründen der Verschwiegenheit und Personalfürsorge nicht üblich, dass ich zu Personalsachen etwas sage“, sagt sie. Die Frage, „warum“ das Seminar entfällt, würden daher weder sie noch die zuständige Fakultät gegenüber den Medien erläutern.

„Hier wurde die Fürsorgepflicht der Uni ins Gegenteil verkehrt“, ist sich dagegen Scheerer sicher. Statt unbesoldete Lehrbeauftragte rauszuwerfen, solle man etwas zur Verbesserung ihrer sozialen Lage tun. „Das Ganze ist eine erschreckende Geschichte“, so Scheerer, „weil sie die Menschen erschreckt.“