Feministische Sprachverwirrung: Die Shitstorm wegen der KopiererIn

Die Linke im Flensburger Rat hat beantragt, dass Bürogeräte zukünftig auch einen weiblichen Artikel bekommen und bot bot damit rechten Medien eine Steilvorlage.

Nur eine Frau oder doch eine Dame? Das Fahrrad immerhin hätte, grammatikalisch neutral wie es ist, eine Sprachneuregelung, wie von der Flensburger Linken vorgeschlagen, ungeschoren überstanden. Foto: Eugène Cattin/Archives cantonales jurassiennes/Wikimedia Commons

FLENSBURG taz | Alles voller Kerle im Büro: In der Ecke rattert der Drucker, auf dem Tisch steht der Computer, und mit Pech liegt auch noch der Bleistiftanspitzer daneben – nee, das ist doch voll ungerecht gegenüber den Druckerinnen, Computerinnen und Anspitzerinnen. Also umbenennen, forderte die Ratsfraktion der Linken in Flensburg.

Klingt nicht nur wie Satire, sondern war auch so gemeint – und ging nach hinten los. Mit ihrem Antrag, Bürogeräte künftig gendergerecht zu bezeichnen, löste die Fraktion einen Shitstorm und ein breites Medienecho aus.

Auslöser war ein Antrag der Wählergemeinschaft „Wir in Flensburg“ (WIF) im Gleichstellungsausschuss der Stadt: Ursula Jensen, die als bürgerliches Mitglied für die WIF in dem Ausschuss sitzt, verlangte, eine „gleichstellende Bezeichnung für weibliche Ratsmitglieder“ einzuführen. Denn zurzeit wird in Flensburg von „Ratsherren“ und „Ratsfrauen“ gesprochen. Und das passe nicht, stellte Jensen fest: Entweder müsse von „Frau und Mann“ oder eben von „Dame und Herr“ die Rede sein.

Diese Feststellung ist alles andere als neu – und gerade in Flensburg wurde sie bereits vor Jahrzehnten geführt, sagt Gabriele Ritter, Fraktionsvorsitzende der Linken-Ratsfraktion: „Wir hatten früher die Ratsherrinnen und haben uns davon getrennt: Ratsfrauen sind auf Augenhöhe mit den übrigen Menschen.“ Entsprechend „rückwärtsgewandt“ sei der WIF-Antrag, meint Ritter.

Gedanken werden Worte werden Taten, mahnen Feministinnen: Ist nur von Männern die Rede, falle es schwer, sich Frauen, Transgender oder andere für bestimmte Aufgaben vorzustellen. Das erschwere die Gleichstellung.

Das Problem: Zeichen wie Trenn- und Unterstriche oder Sterne, die benutzt werden, um verschiedene Geschlechter kenntlich zu machen, machen Texte schwerer les- und sprechbar.

Eine Lösung: Viele Begriffe sind geschlechtsneutral. Etwa Team, Beschäftigte, Fachkräfte, Angehörige, Beteiligte – oder eben Ratsmitglieder.

Im Vorfeld der Ausschuss-Sitzung wollten die Linken also nur klarmachen, dass sie den Antrag ablehnen würden. Aber Fraktionschefin Ritter hängte einen eigenen „Ergänzungsantrag“ an die Mail an, die ins Rathaus-interne System verschickt wurde. Darin heißt es: „Ab sofort werden Arbeitsgeräte/-mittel aus allen Arbeitsbereichen der Stadt Flensburg genderneutral bezeichnet. Dies gilt insbesondere für grammatisch mit maskulinem Artikel („der“) bezeichnete Arbeitsgeräte/-mittel und Bezeichnungen, die Berufsbezeichnungen nachgebildet sind: der/die ScannerIn, der/die ComputerIn, der/die BleistiftanspitzerIn, der/die KopiererIn, der/die StaubsaugerIn.“

Bloß ein Witz, mit dem sie „bestenfalls für Lachanfälle“ sorgen wollte, sagt Ritter: „Ich hätte mir nie träumen lassen, was daraus wird.“ Denn die Mail wurde in Windeseile weitertransportiert: Politische Gegner freuten sich über die Steilvorlage, die Medien, zunächst die aus der rechten Ecke, griffen den Antrag auf.

Für Ritter war es ein Lehrstück darüber, wie interne Scherze in der Öffentlichkeit ankommen – schlecht. Schnell zog die Fraktion ihren Antrag zurück und mahnt: „Kommt mal wieder runter vom Baum.“ Nach einem Tag, an dem das Telefon in der Fraktion nicht stillstand, sagt Ritter: „Ein bisschen witzig finden wir es aber immer noch.“

Das geht nicht allen so: „Das Ganze wird innerhalb der Partei kontrovers diskutiert“, sagt ein Flensburger Linker, der weder über den Shitstorm noch über das Krisenmanagement glücklich ist. Die Fraktion hätte sich ernsthaft mit dem Antrag der WIF auseinandersetzen sollen, sagt er. Die Satire „spielt nur den Kreisen in die Hände, die sich über den angeblichen Genderwahn beschweren“.

Genau diese Auseinandersetzung verspricht Ritter für die Ausschussdebatte am Mittwoch. Wenn sich schon etwas an der Bezeichnung der Stadträte ändern solle, dann sei es am besten, auf die Herrschaft ganz zu verzichten: „Wir sind alle Ratsmitglieder – dieser Begriff schließt die ganze Bandbreite ein.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.