Feministinnen fordern bessere Gesetze: Alphamädchen gegen Merkel
Junge Feministinnen verlangen, den Schutz vor Diskriminierung in Europa zu stärken. Die Union hat Bedenken.
FREIBURG taz Europa soll dem deutschen Beispiel folgen und einen umfassenden Schutz vor Diskriminierung einführen. Das fordern junge Feministinnen in ihrem Aufruf "Ganz Europa ohne Diskriminierung". Initiiert hat ihn die Heidelberger Politikwissenschaftlerin Franziska Brantner. Unterstützt wird er unter anderem von den Autorinnen des Buches "Alphamädchen", Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl.
Das allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) trat in Deutschland vor zwei Jahren in Kraft. Es schützt vor Diskriminierung im Arbeitsleben und im privaten Geschäftsverkehr, also im Restaurant, auf dem Wohnungsmarkt und bei Versicherungen. Verboten ist die Diskriminierung wegen acht Merkmalen: Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Behinderung, sexuelle Orientierung, Alter, Weltanschauung und Religion. Betroffene können Schadenersatz einklagen.
Das AGG setzte zwar EU-Richtlinien um, ging aber auf Wunsch der SPD über diese hinaus. So sah die EU im privaten Rechtsverkehr nur den Schutz vor Benachteiligung wegen Rasse und ethnischer Herkunft vor. Dass in Deutschland auch Behinderte oder Schwule und Lesben geschützt werden, war eine Entscheidung der deutschen Politik. Kanzlerin Angela Merkel hat von ihrer eigenen Partei, der FDP und Wirtschaftsverbänden viel Prügel bekommen, weil sie hierbei mitgemacht hat.
Jetzt, zwei Jahre später, wiederholt sich das Spiel mit anderen Rollen. José Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission, will Signale für ein "soziales Europa" setzen und deshalb den europäischen Diskriminierungsschutz ausweiten. Doch nun kündigt Deutschland unter Merkels Führung eine Blockade an. Gegen diese richtet sich der Appell der Feministinnen.
Am 11. Juni will die EU-Kommission entscheiden, wie sie weiter vorgeht. Es gibt drei Möglichkeiten. Der zuständige Kommissar Vladimir Spidla und das EU-Parlament würden gerne in ganz Europa das deutsche Modell mit acht geschützten Merkmalen umsetzen. Denkbar ist aber auch, dass die EU-Kommission den Konflikt mit Deutschland vermeidet und den EU-weiten Schutz nicht ergänzt. Als Kompromiss wird diskutiert, nur den Behinderten mehr Schutz zu gewähren, weil hier die Konservativen eher zustimmen werden als etwa bei Homosexuellen.
Ausgerechnet die Leiterin der deutschen Antidiskriminierungsstelle, Martina Köppen, hat sich jetzt hinter Merkel gestellt und vor jeder Ausweitung der EU-Regeln gewarnt: "Eine stärkere Regulierung wäre ein Schlag für die Wirtschaft", erklärte Köppen in der FAZ. Bisher sei der zivilrechtliche AGG-Schutz auf "Massengeschäfte" - also Geschäfte, die üblicherweise ohne Ansehen der Person geschlossen werden - beschränkt. Diese Beschränkung könnte bei einer neuen EU-Regelung fallen, fürchtet Köppen. Der Streit um das AGG ist vor allem symbolischer Natur. Wegen vieler Ausnahmeregelungen hat das Gesetz eher atmosphärische Wirkung. Auch die von der Wirtschaft befürchtete Klagewelle ist ausgeblieben.
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