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■ H.G. HolleinFeinlich

Die Frau, mit der ich lebe, ist ein Feingeist. Manchmal auch ein Weingeist, aber das tut in diesem Fall nichts zur Sache. Bei der Beibringung von Fleisch- und Wurstwaren habe ich jedenfalls unbedingt darauf zu achten, dass es feine Leberwurst ist, die ich in mein Ränzel tue, und nicht „die mit den ekligen Klumpen“. Ich bin ja eher fürs Deftig-Derbe. Seit ich als junger Mensch einmal drei Wochen lang in einer Großfleischerei Leberwurstmasse in 50-Kilo-Klumpen umschlagen durfte, weiß ich ohnehin, dass „fein“ und „rein“ durchaus relative Begriffe sind. Aber von mir aus soll sich die Gefährtin ruhig weiter der Illusion eines subtilen Gaumengenusses hingeben. Andererseits hat der Sinn der Gefährtin für Raffinement und Finesse durchaus Grenzen. Als ich sie unlängst mit dem Hinweis, so was trüge Frau jetzt, für ein hochmodisches bauchnabelfreies Feinripphemdchen gewinnen wollte, wurde ich nur brummig beschieden: „So was trägt Frau jetzt nicht.“ Möglicherweise spielte dabei ja ein gewisses Übermaß an Nougat in feinster Schokoladen-umhüllung eine Rolle, aber derartige Vermutungen behält der Mann von Welt natürlich feinfühlig für sich. Auch sonst kann ich mich im Umgang mit der Gefährtin einer langerprobten Delikatesse rühmen. Das wird mir allerdings nicht immer gedankt. Kürzlich hatten wir einmal wieder das Lager geteilt, und im Anschluss ergab sich ein leicht sentimentaler Rückblick auf das eine oder andere verflossene Begebnis diesbezüglicher Art, bei dem ich – auf Details möchte ich nicht näher eingehen – im Ranking der Gefährtin ziemlich weit unten rangierte. Als ich leicht vergrätzt anmerkte, so groß würden die Unterschiede schon nicht sein, bemerkte die Gefährtin nur spitz: „Groß nicht, aber fein.“

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