: Feiern in den besetzten Gebieten
■ Gegner des Abkommens zwischen Israel und der PLO demonstrierten / Rabin will mit PLO „Unruhen“ bekämpfen
Tel Aviv/Berlin (taz) – Palästinensische Fahnen wehten gestern auf den Dächern der Häuser in Jericho, als der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin und PLO- Chef Jassir Arafat in Washington zu der Unterzeichnungszeremonie des Teilautonomie-Abkommens zusammenkamen. Das sonst so schläfrige Städtchen, in dem die Befürworter der Selbstverwaltung deutlich in der Überzahl sind, ist zum Leben erwacht: Die Menschen feiern in den Straßen, geben Journalisten bereitwillig Auskunft und genießen die willkommene Gelegenheit, plötzlich in den Scheinwerfern der TV-Reporter zu posieren. Am nachmittag leerten sich die Straßen vorrübergehend, da sich viele das Ereignis im Fernsehzn ansehen wollten. Der Generalstreik, zu dem zehn palästinensische Gruppen, die das Gaza-Jericho-Abkommen ablehnen, aufgerufen hatten, blieb in Jericho unbeachtet.
Im Gaza-Streifen hingegen wurde der Aufruf weitgehend befolgt. Hier wurden sechs Anhänger der islamistischen Hamas-Bewegung von israelischen Soldaten verletzt. Nach palästinensischen Angaben kam es zu dem Zusammenstoß, als die Truppen eine Demonstration weniger Dutzend Hamas-Anhänger auflösen wollten. Hamas hatte sich zuvor mit der PLO geeinigt, nach 15 Uhr keine etwaigen Freudenkundgebungen von Befürwortern des Abkommens zu stören.
In Ost-Jerusalem kam es zu einer ähnlichen Übereinkunft: Bis Mittag streikten die Gegner des Abkommens, anschließend feierten die Anhänger Arafats. Die Festlichkeiten begannen mit dem Hissen der offiziell noch verbotenen palästinensischen Fahne am Orient House, dem Sitz der palästinensischen Führung.
Auch in der Westbank-Stadt Hebron gingen unterschiedliche Lager auf die Straße. Hier waren es jedoch militante, bewaffnete Siedler aus dem nahegelegenen Kiriat Arba, die den Protest gegen das Abkommen formierten. Zvi Katzover, einer der Führer der Siedler, drückte seine Besorgnis über die Feiern der Palästinenser aus und zeigte sich dankbar für die Anwesenheit der israelischen Armee „zwischen den Fronten“.
So bot der Tag, an dem die Führungen Israels und der PLO in Washington mit einer persönlichen Begegnung den Weg zum Frieden besiegelten, in den davon betroffenen Gebieten auch das gewohnte Bild massiver israelischer Militärpräsenz. Armee und Polizei verstärkten ihre Positionen an der Grenze zur Westbank und dem Gaza-Streifen sowie in Jerusalem. Nur wenigen Palästinensern aus der Westbank und dem Gaza- Streifen wurde am Morgen die Einreise nach Israel gestattet. Am Vortag waren bei verschiedenen Anschlägen und Demonstrationen vier Israelis und vier Palästinenser getötet worden.
Vor dem Hintergrund dieser Zwischenfälle sprach sich Rabin gestern dafür aus, künftig mit der PLO zusammenzuarbeiten, um Unruhen in den besetzten Gebieten niederzuschlagen. „Wir müssen mit einer sehr komplizierten Situation fertig werden“, sagte Rabin und fügte hinzu, daß der „neue Partner“ dazu beitragen werde, die Gewalt einzudämmen. Zwei Meinungsumfragen zufolge, deren Ergebnisse gestern in der Tageszeitung Jerusalem Post veröffentlicht wurden, unterstützen allerdings 65 Prozent der Palästinenser in den besetzten Gebieten das Gaza-Jericho-Abkommen; in Israel sind es 62 Prozent.
Die Unterzeichnung des Abkommens rief auch in arabischen Nachbarstaaten Israels die Gegner auf den Plan, die zu einem „Tag des Zorns“ aufgerufen hatten. Namentlich in den großen Flüchtlingslagern in Syrien kam es zu Demonstrationen gegen das Abkommen. „Tod den verrätern und Verschwörern!, „Keine Legitimität für Arafat und seine Friedensverhandlungspartei“ oder „Schande, schande jenen, die Palästina verkaufen“ hieß es auf Plakaten und Spruchbändern.
Im benachbarten Libanon eröffnete die Armee das Feuer auf eine verbotene Demonstration radikaler Palästinenser und Anhänger der islamistischen Hisbollah- Bewegung. Dabei wurden vier Personen getötet.
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