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Faulige Funde im Froster

■ Milliarden Bakterien fanden Hamburger Fleischtester auch in Hühnern aus Bremer SB-Märkten

„So frisch, so gut“ — dieses Versprechen prangt einem Huhn im Comet-Supermarkt Vor dem Steintor quer über der Brust. In eben solch einem Huhn jedoch haben Lebensmittelspezialisten der Hamburger Verbraucherzentrale jüngst 200 Millionen Keime pro Gramm Fleisch gefunden — eigentlich läßt die Bundesanstalt für Fleischforschung nur 5 Millionen Keime pro Gramm zu. Außerdem tummelten sich rund 100.000 Kolibakterien in jedem Gramm Fleisch — es dürfte kein einziges sein. Die TesterInnen waren im Auftrag der Zeitschrift „Stern“ in 148 deutschen Supermärkten unterwegs. Nur in 15 Märkten waren Fleischwaren und Tiefkühltruhen in Ordnung. In den anderen fanden die TesterInnen grün-fauliges Fleisch, abgelaufenen Haltbarkeitsdaten, zu warme Kühltruhen ...

Comet-Marktleiter Manfred Spreen ist ratlos. Eigentlich, so Spreen, kontrollieren der Fleischermeister und die drei Fachverkäuferinnen jeden Morgen die abgepackten Fleischstücke. „Ich kann mir keine grobe Nachlässigkeit vorwerfen.“ Auch hätten die Lebensmittelkontrolleure, die zweimal jährlich nach dem Rechten sehen, in den letzten Jahren am Fleisch nie was zu beanstanden gehabt. Doch nun steht sein Laden auf der „Liste der 41 schlimmsten Proben“, neben Karstadt in der Lloydpassage, wo grau verfärbtes Schweinenackensteak gefunden wurde, neben Tengelmann Am Dobben oder Comet in der

Schwachhauser Heerstraße. Da Comet selbst kein Fleisch abpackt, fragt die Zentrale nun bei den Lieferanten nach. Marktleiter Spreen kann sich das alles nicht erklären. Sicher, schwarze Schafe gebe es in jeder Branche. Horrorbeispiele

des „Stern“: Sparsame Marktleiter schalteten nachts die Gefriertruhen ab oder packten überlagerte Würstchen einfach aus und boten sie an der Theke als „frische Grillwürstchen“ an.

Die Hamburger TesterInnen kauften in 16 Bremer Supermärkten ein, nur in zwei Geschäften fanden sie Fleisch und Truhen in Ordnung. Zwei Läden gar hatten Kühltruhen ohne Thermometer. Erschreckend vor allem ein Befund: Gütesiegel und Haltbarkeitsdatum sagen nichts aus. Die verdorbenen Fleischwaren hatten alle entweder ein CMA-Gütesiegel oder waren der Handelsklasse A zugeordnet. Außerdem war das Fleisch oft schon vor Erreichen des Mindeshaltbarkeitsdatums verdorben.

Frank Prestel, der beim Stadtamt die 20 LebensmittelkontrolleurInnen der Stadt Bremen beaufsichtigt, will erst die genauen Laborbefunde der Hamburger sehen, bevor er Schlüsse zieht. Angefordert sind sie allerdings noch nicht. Rund 150 Fleischproben haben die Bremer KontrolleurInnen im vergangenen Jahr genommen, weniger als 5 Prozent waren zu beanstanden. Die Beanstandungsquote bei Lebensmitteln überhaupt liegt wie überall im Bundesgebiet bei 15 Prozent. Gerügt wurden zumeist falsche Zutatenlisten, allerdings auch „Überlagerung“. „Eine wirkliche Gefährdung aber finden wir fast nie“, sagt Hans- Herbert Kornau von der Abteilung Lebensmittelüberwachung beim Gesundheitsressort. 200 Millionen Keime pro Gramm, das sei zwar eklig, aber eigentlich nicht gefährlich — „denn wer ißt denn schon rohes Fleisch?“ Beim Kochen würden die Keime sämtlich abgetötet.

Solch eine Haltung findet Silke Schwartau von der Hamburger Verbraucherzentrale empörend. Die Krankheitsgefahr sei auch bei 200 Millionen Keimen schon zu hoch — wenn da das Frosthuhn in der Mikrowelle nicht ganz durchgebraten wird! Und was ist mit den empfindlichen Mägen von Kindern und Alten? „Verschnarchte Beamte“, sagt sie kurz. Für die Verbraucherzentralen fängt die Arbeit jetzt erst an: Die ertappten Geschäfte sollen verklagt werden; über Gütezeichen muß nachgedacht werden; die Kontrollen schon bei Tierhaltung und Schlachtung müßten verstärkt werden — allerdings auf Kosten der Hersteller. cis

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