: Faule Kompromisse
■ Die Kammerphilharmonie zwischen allen Stühlen. Erstes Abonnementskonzert
Kompromisse sind tödlich, für die Kunst jedenfalls. Die Kammerphilharmonie strebte und strebt ein eigenes und unverwechselbares Gesicht an. Anläßlich seines Engagements als fester Dirigent der Deutschen Kammerphilharmonie kündigte Thomas Hengelbrock im vergangenen Jahr an, man werde nun mit alten Instrumenten experimentieren. Gleichzeitig versprach er, daß viel Neue Musik gemacht werden soll und daß auch Uraufführungsaufträge vergeben werden. Im ersten Abonnementskonzert nun wurde das Ergebnis vorgestellt.
Die Kammerphilharmonie hat in Bonn „Don Giovanni“ von Wolfgang Amadeus Mozart mit der Regie von Roberto Ciulli einstudiert: davon nun gabs mit der Ouvertüre und zwei Arien der Donna Anna eine Kostprobe zu hören. Die Darmsaiten mit ihrer viel geringeren Spannung bewirken ein dunkleres Klangbild, für Mozart kann das Ergebnis als befriedigend eingestuft werden. Trotzdem wirkt die Sache angesichts der überragenden Qualitäten in der historischen Aufführungspraxis kompromißlerisch, ebenso wie der Gesang von Hasmik Papian. Dies gilt aber besonders auch für die Wiedergabe von Robert Schumanns strahlender 1. Sinfonie, der sogenannten Frühlingssinfonie aus des Komponisten schönster Zeit mit der gerade eroberten Clara. Schwung, Impuls und Tempi stimmten, trotzdem gab es Mängel in der Gesamtdisposition: Aufbauten kamen halbherzig, Explosionen verhalten: Thomas Hengelbrock dirigiert zwar gestenreich und suggestiv, jedoch nicht immer deutlich. Die Details hingegen aller einzelnen MusikerInnen faszinierten wie meist in diesem Orchester.
Und die Uraufführung von „Ekstase“ für Oboe und Orchester des in Paris lebenden chinesischen Komponisten Qugang Chen? Sechsmal wurden die Musiker einschließlich des Komponisten auf das Podium gerufen: Musik also, die schön ist, ganz einfach. Rodrigo Blumenstock hatte die Chance, einen virtuosen und atemtechnisch faszinierenden Solopart mit der Oboe, in China auch der „Sona“, zu bieten. Was hier an Tonlichkeit zum Teil in Glissandi ohne Intervallstufen entfaltet wurde, war wegen seiner europäisch-asiatischen Mischung spannend. Der Orchesterpart barst vor (europäischer) Farbigkeit: Richard Strauß hätte sein Freude gehabt.
Ein gutes Konzert, zweifelsohne. Ein sehr gutes nicht, denn weder hatten wir es hier mit einem interpretatorischen Spitzenergebnis historischer Aufführungspraxis zu tun noch mit einer innovativen neuen Komposition. Der nun entstandene Eindruck eines Kompromisses könnte das infrage stellen und das sollte zu denken geben.
Ute Schalz-Laurenze
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