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Fatma Aydemir Mitarbeiter der WocheAhmet Şık

Illustration: Elias Hauck

Kurz bevor Ahmet Şık im März 2011 seine jahrelange investigative Recherche zur Unterwanderung des türkischen Staats durch die Gülen-Bewegung in Form des Buches „Die Armee des Imam“ veröffentlicht, kommt er hinter Gitter. Ein Jahr Untersuchungshaft. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in einer geheimen Terrororganisation, die den Staat umstürzen will.

Ende 2016, wenige Monate nach dem Putschversuch durch die Gülen-Bewegung, landet Şık erneut in Haft. Diesmal wird ihm vorgeworfen, Terrorpropaganda über Twitter zu verbreiten, und Mitglied der inzwischen verbotenen Gülen-Bewegung zu sein – also jener Organisation, die Şık mit seinem Buch „Die Armee des Imam“ so scharf entlarvte wie selten jemand zuvor.

Ahmet Şık, der zuletzt für die Tageszeitung Cumhuriyet arbeitete, ist nicht nur ein brillanter Journalist, sein Fall steht auch stellvertretend für die absurden Dimensionen, die der repressive Umgang der türkischen Regierung mit kritischen Journalist*innen angenommen hat. Und Şık wird nicht müde, diese Repression immer wieder aufs Neue anzuprangern – selbst im Gefängnis von Istanbul-Silivri, wo er seit nunmehr zehn Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Bei seiner Anhörung vor Gericht im Juli hielt der 47-Jährige eine legendäre Rede, die weltweit für Schlagzeilen sorgte und innerhalb der türkischen Opposition schon jetzt als historischer Moment gilt:

„Ich verteidige mich hier nicht. Ich klage an. Diese Operation, die sich gegen uns richtet, ist nichts anderes als die Jagd auf die Gedanken-, Meinungs- und Pressefreiheit. Und einige Mitglieder der Justiz haben die Aufgabe übernommen, der Lynchmob dieser Jagd zu sein. Das ist kein Statement zu meiner Verteidigung, weil ich das als eine Beleidigung des Journalismus und der ethischen Werte meines Berufes betrachten würde. Journalismus ist kein Verbrechen. Aus diesem Grund sage ich nur, dass ich gestern ein Journalist war, dass ich heute ein Journalist bin und dass ich auch morgen ein Journalist sein werde. Dafür, das ist offensichtlich, muss ein Preis gezahlt werden. Aber glauben Sie nicht, dass uns das einschüchtert.“

Ahmet Şık wird am 11. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse der Raif Badawi Award verliehen. Der Preis würdigt den Einsatz mutiger Journalist*innen in überwiegend islamisch geprägten Weltregionen und macht auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam. Entgegennehmen wird den Preis stellvertretend Şıks Anwalt Can Atalay.

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