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Fataler Coup

■ Zur Asylantenvereinbarung mit der DDR

Es gibt jenen ebenso selbstverständlichen wie fatalen Grundkonsens der Demokraten, wonach das dumpfe Unbewußte im deutschen Volkskörper, die brodelnden Ängste und Rassismen nicht in den Wahlkampf geraten dürfen. Dieser schöne Grundkonsens gegen die Demagogen nutzt allen Parteien. Der bayrische Demagoge darf den spielen, der endlich die Dinge beim Namen nennen muß. Und der Sozialdemokrat darf ihn im Namen der Demokratie Demagoge nennen. Jedenfalls ist das der innenpolitische Teil des Asylantenproblems. Tatsächlich ist in der Bundesrepublik immer Beschwörung und Bruch dieser Wahlkampfstilistik ein entscheidender Inhalt des Wahlkampfes selbst gewesen. Nachdem nun die DDR–Regierung Rau den diplomatischen Coup zugestand, sich als erfolgreichen Asylantenflutwellendämpfer darzustellen, beglückwünscht sich die SPD, das fatale Thema aus dem Wahlkampf genommen zu haben. Faktisch ist es aber so, daß die SPD aus dem Problem des Asyls nun erst recht ein Wahlkampfthema gemacht hat. Seitdem Bahr letzte Hand an die Ost– Berliner Schleuse gelegt hat, gibt es auch implizit für die SPD die Asylantenflut als Realität. Die Rhetorik des Nürnberger Parteitages der SPD nährte noch die Hoffnung, daß sie dem Wahlvolk nicht die Zumutung ersparen würde, sich mit dem moralischen Anspruch gegenüber den Flüchtlingen der Dritten Welt auseinanderzusetzen. Unter dem Druck Straußscher Demagogie gab es jedenfalls die Chance einer Grundsatzdebatte. Die Asylantenfrage wird auch in Zukunft um keinen Deut rationaler diskutiert werden können, gerade weil die Bevölkerung zu dem Zeitpunkt, an dem die Grundsatzdebatte anstand, die glatte deutsch–deutsche Lösung serviert bekam. Die Akzeptanz des Grundrechtes auf Asyl soll gerettet werden - erklärt SPD–Wernitz - indem eben auf probate Weise die Asylanten gestoppt werden. Das heißt, diese Akzeptanz wird von der SPD weder mehr erwartet, noch eingefordert. Das Grundrecht muß vielmehr vor denen geschützt werden, die es in Anspruch nehmen. Wieviel Asylanten braucht man für die Angst vor der Asylantenflut? Wieviel Chinesen brauchte Wilhelm II. für die „gelbe Gefahr“? Jetzt erst kann gestritten werden, welche Politik besser die Asylanten eindämmt. Klaus Hartung

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