: Faschismus unter Palmen
Duce Italien will das Zeigen faschistischer Symbole verbieten. „Freiheitsfeindlich“ findet das die Fünf-Sterne-Bewegung um Beppe Grillo. Die Partei stärkt ihr rechtes Bein
Aus Rom Michael Braun
Einen Badespaß der ganz eigenen Sorte bot Gianni Scarpa in seinem Lido an der Adriaküste von Chioggia. An jeder Ecke wurden zwischen Liegestühlen und Sonnenschirmen der Duce und der Faschismus gefeiert, gab es Bilder vom „römischen Gruß“, war eine Kabine in feinem Fascho-Humor mit der Inschrift „Gaskammer“ versehen.
Und wer nicht lesen wollte, musste hören. Regelmäßig lieferte Scarpa Lautsprecherdurchsagen, in denen er seine Weltsicht kundtat. Weder Badefreunde noch Behörden nahmen je daran Anstoß. Erst als sich die Tageszeitung La Repubblica mit dem seltsamen Strandetablissement befasste, rückte die Polizei an und entfernte den rechtsradikalen Plunder.
Erinnerungskultur auf Italienisch: Zwar gibt es seit 1952 ein Gesetz, das die „Verherrlichung des Faschismus“ verbietet, zur Anwendung kommt es jedoch so gut wie nie. Und so ist zum Beispiel Predappio, Geburtsort Benito Mussolinis, in dem der Duce auch bestattet ist, schon seit Jahrzehnten ein Wallfahrtsort, in dem alte Kämpfer und junge Nostalgiker völlig ungestraft im Schwarzhemd uniformiert antreten, den Arm zum römischen Gruß recken, ihre faschistischen Standarten herzeigen und dazu das alte Liedgut schmettern.
Wenn es nach Emanuele Fiano, Sohn eines Auschwitz-Überlebenden und Abgeordneter der gemäßigt linken Regierungspartei Partito Democratico (PD), geht, soll sich das jetzt ändern. Er brachte einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, wonach – genauso wie in Deutschland – schon das bloße Herzeigen faschistischer oder nationalsozialistischer Symbole strafbar werden soll. Dass Italiens Rechte, von den Postfaschisten der Fratelli d’Italia bis zur fremdenfeindlichen Lega Nord, dagegen rebelliert, überrascht nicht weiter. Doch auch Beppe Grillos Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) hat Einwände.
„Freiheitsfeindlich“ sei das neue Gesetzesvorhaben, erklärte einer ihrer Parlamentarier, man könne doch nicht „automatisch“ den römischen Gruß bestrafen, „ohne den Kontext zu würdigen“. Den Kontext würdigte zum Beispiel Marco Veronese, der M5S-Vizebürgermeister von Chioggia, der an dem faschistischen Badestrand in seiner Gemeinde nicht so recht etwas auszusetzen hat. „Ein bisschen borderline“ fand er den Lido, am Ende aber sei der doch eher als „folkloristische Frage“ einzusortieren, und dass die Polizei anrückte, um die Fascho-Propaganda zu entfernen, hielt er schlicht für „eine Verschwendung der sowieso schon knappen Personalressourcen der Polizei“.
Das M5S beteuert, dass „der Antifaschismus für uns ein Wert ist“. Mit der Auskunft, sie sei „weder rechts noch links“, ist es der Anti-Establishment-Bewegung in den vergangenen Jahren gelungen, Wähler von ganz links bis rechts außen abzufischen und in den Meinungsumfragen auf 27 bis 30 Prozent aufzusteigen. Doch inzwischen häufen sich Anzeichen, dass M5S sein rechtes Bein stärken will.
So bekannte Luigi Di Maio – der junge smarte Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, der als Spitzenkandidat der Fünf Sterne bei den nächsten Parlamentswahlen gehandelt wird –, in der Bewegung gebe es nun mal unterschiedliche Menschen: solche, „die auf Berlinguer, und solche, die auf Almirante schauen“. Enrico Berlinguer war der legendäre Vorsitzende der Kommunistischen Partei Italiens, Giorgio Almirante dagegen der Chef der Neofaschisten vom MSI, dem Movimento Sociale Italiano. Und Alessandro Di Battista, der zweite Jungstar des M5S, weiß in seiner kürzlich erschienenen Autobiografie über seinen rechtsextremen Vater vor allem zu berichten, dieser habe ihn „Aufmüpfigkeit“ gelehrt.
Aufmüpfig gibt sich das M5S auch gegen das neue Gesetzesvorhaben der Regierung, das es den Kindern von Einwanderern leichter machen soll, italienische Staatsbürger zu werden. Noch vor wenigen Jahren hatten die Fünf Sterne einen ganz ähnlichen Gesetzesvorschlag eingebracht – jetzt aber finden sie das Vorhaben „nicht zustimmungsfähig“, während zugleich „nichts getan“ werde, um „den italienischen Familien in ernsten ökonomischen Schwierigkeiten zu helfen“. Rechten Wählern dürfte das gefallen – diesen Sound kennen sie schließlich.
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