Farc-Geisel in Kolumbien: Austausch der Gefangenen geplant
Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe unterzeichnet ein Dekret für einen Geiselaustausch. Die Farc-Geisel Ingrid Betancourt ist schwer krank.
PORTO ALEGRE taz Kolumbiens Regierung hat sich erneut grundsätzlich bereit erklärt, inhaftierte Guerilleros gegen Geiseln der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) auszutauschen. Am Donnerstagabend unterzeichnete Präsident Álvaro Uribe ein Dekret, das die Freilassung von Rebellen in Aussicht stellt. Damit reagierte er auf Berichte über den schlechten Gesundheitszustand der im Februar 2002 verschleppten Politikerin Ingrid Betancourt.
Das Dekret eröffnet die Möglichkeit, inhaftierte Farc-Kämpfer aus dem Gefängnis zu entlassen. "Es reicht, Ingrid Betancourt sofort freizulassen", sagte Friedensbeauftragter Luis Carlos Restrepo. "Dann betrachten wir das humanitäre Abkommen als erfüllt und könnten einer zu vereinbarenden Anzahl von Mitgliedern der Guerillagruppe die Vorteile einer mit Bedingungen verbundenen Aussetzung der Strafe einräumen." Grundsätzlich könne jeder inhaftierte Guerillero begnadigt werden, wenn er dem bewaffneten Kampf abschwöre. Besonders sei die Regierung über die Gesundheit der 46-jährigen Exsenatorin besorgt, das Dekret ebne aber auch den Weg zur Freilassung aller Entführten. Ganz neu ist das Angebot der Regierung allerdings nicht. Bereits im Dezember hatte sie den Artikel 61 des umstrittenen Gesetzes für Gerechtigkeit und Frieden mit einer Ausführungsbestimmung versehen, die sie als juristischen Rahmen für einen Gefangenenaustausch bezeichnete.
So erklärt sich die skeptische Einschätzung des liberalen Oppositionspolitikers Héctor Elí Rojas: "Uribe hat gemerkt, dass seine unverrückbaren Bedingungen dazu führen werden, dass Entführte sterben." Das Dekret sei eine "Rechtfertigung angesichts möglicher Todesfälle".
Am Donnerstagmorgen hatte der Ombudsmann der kolumbianischen Regierung, Vólmar Pérez, im Radio berichtet, Betancourt leide an Hepatitis B und der Infektionskrankheit Leishmaniose. "Jemand hat mir gesagt, dass sie so ähnlich aussieht wie Kinder in Somalia", sagte Pérez. Die kolumbianisch-französische Politikerin sei im Februar in Krankenstationen der Urwaldprovinz Guaviare behandelt worden, die von den Farc kontrolliert werden. Sein Büro habe mehrere Gesundheitsposten in der Region mit Medikamenten gegen Tropenkrankheiten beliefert. Auch ein Priester aus Guaviare berief sich auf einen Augenzeugen und sagte, Betancourt habe zuletzt "einen sehr schwachen, sehr deprimierten Eindruck" gemacht.
Clara Rojas, die im Januar freigelassen worden war, forderte ihre Freundin Betancourt am Freitagmorgen über den Radiosender Caracol zum Durchhalten auf und appellierte an die Farc, die Koordinaten ihres Aufenthaltsorts an Venezuelas Präsident Hugo Chávez durchzugeben. Betancourts früherer Ehemann Fabrice Delloye bezeichnete den Schritt der Regierung eher als "Effekthascherei" denn als "echten Vorschlag". Friedensbeauftragter Restrepo müsse konkreter werden, sagte Delloye in einem Rundfunkinterview in Paris. Vor allem solle die Regierung zur Forderung der Farc nach einer entmilitarisierten Gebiet in Kolumbien Stellung beziehen
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