Fan-Protest in der Bundesliga: Tennisbälle für Kitas
Noch immer fliegen Tennisbälle aus Protest gegen DFL-Investoren oder „Investorenklubs“. Die taz hat nachgefragt, was die Vereine damit anstellen.
Der Ergebnissport Fußball ist längst auch Statistiksport: Alles wird gezählt, ob Zweikampfquote, Laufkilometer, Zweitballeroberungen bei Regenwetter. Es ist also an der Zeit, auch mal die Tennisbälle zu bilanzieren, die seit Jahresbeginn aus Protest gegen einen Investoreneinstieg in der Deutschen Fußball-Liga die Plätze fluten.
Am Sonntag warfen die Ultras von Eintracht Frankfurt (erstmals) Bälle – aus Protest gegen „Investorenklubs“ wie den VfL Wolfsburg, der drunten gegen die SGE kickte (2:2). Die taz hat die 18 Erstligaklubs um Auskunft gebeten über eingesammelte und bei Einlasskontrollen konfiszierte Bälle. Und was man damit gemacht hat.
Die erste Antwort aus München war spontan empörend. Automatisiert wird man mit „Servus FCB-Fan“ angesprochen. FCB-Fan? Was erlauben Strunz-Klub! Aber gut, es gibt schlimmere Beleidigungen.
Frankfurt entschuldigt sich für seine „sehr unspektakulären Antworten“. Geworfene Anti-DFL-Bälle: 0. Einkassierte: 0. Nichts ausgerechnet in der bekannt heftigen Eintracht-Szene? Grund: Frankfurter Ultras sind traditionell selten bei konzertierten Aktionen beteiligt, lieber autonom vorneweg wie etwa bei den Protesten gegen Montagsspiele vor sechs Jahren – erfolgreich und auch mit Tennisbällen.
Geschenk an Kitas
Aus Leipzig hieß es zunächst automatisiert launig: „Vielen Dank, dass du uns dein Anliegen ins RBL Service Center geflankt hast. Unsere Mitarbeitenden werden sich so schnell wie möglich durch alle Mails dribbeln, um dir eine Antwort per Steilpass zurückzuspielen.“ Der Steilpass lautete dann so: „Bei unseren Heimspielen sind keine Tennisbälle auf dem Rasen gelandet. Gegen Union Berlin warfen Gästefans Flummis, ca. 150 Stück konnten vor dem Spiel bei Personenkontrollen abgenommen werden.“ Verwendung? Keine Antwort.
Löblich der VfL Wolfsburg: „Die gesammelten Tennisbälle und Flummis werden durch unsere CSR-Abteilung an Kitas der Region verschenkt.“ Es seien „mehrere Büromülleimer voll“ gewesen, auch wenn das, sorry, „eine nicht gängige Maßeinheit“ sei.
CSR meint Corporate Social Responsibility, also soziale Unternehmensverantwortung. Eine solche hat auch der VfL Bochum: „Einen Teil der Bälle haben wir der vereinseigenen CSR-Abteilung zukommen lassen, für deren Projekt Blau-Weißer Bewegungsraum, in dem Kinder aktiviert werden sollen.“ Andere Bälle seien an eine Bochumer Schule gegangen.
Erst essen, dann treffen
Und Bochumer Spieler haben selbst zugegriffen: etwa Maximilian Wittek ein paar Tennisbälle: „Ich spiele leidenschaftlich gerne Padel.“ Vor Wochen hatte Takuma Asano bei einer Spielunterbrechung einen geworfenen Schoko-Goldtaler verspeist und danach direkt getort.
Jetzt aber endlich genaue Zahlen! Lägen leider nicht vor, teilt der VfB Stuttgart mit: „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine Entscheidung darüber, wie mit den eingesammelten Bällen verfahren wird.“ Auch aus Bremen gibt es keine Zahlen, allerdings würden die „Tennisbälle oder Flummis im Rahmen unseres Spielraum-Konzepts genutzt“ – in Werders konkret 57 Partner-Grundschulen und Kitas. Konfiszierte Bälle? „Keine.“
Auch Mainz 05 hat die Tennisbälle „natürlich nicht gezählt“, es sei „ein kleinerer Sack voll geworden“. Sie gingen an einen Tennisclub. Daneben seien auch Jetons geflogen. Keine Angaben, ob die an ein Spielcasino gingen.
Heidenheim meldet: „Keine Tennisbälle.“ Aber: „Die Flummis, die wir nicht gezählt haben, werden bei unseren regelmäßig stattfindenden Schulbesuchen an Erstklässler verteilt. Die Schokotaler wurden entsorgt.“ Auch in Leverkusen „spielten Tennisbälle keine übergeordnete Rolle“. Gegen den FC Bayern seien hauptsächlich „kleinteilige, teilweise geöffnete Kamelle“ geflogen. Der Karnevalssüßkram wurde „aus hygienischen Gründen direkt entsorgt“.
Anruf aus Hoffenheim: Man habe bei den letzten beiden Spielen lauter „aufgeschnittene Tennisbälle“ eingesammelt, „ein kleiner dreistelliger Bereich“. Die kämen in den Müll. Auch Äpfel seien geflogen. „Was macht man mit Obst, das durch ein Stadion fliegt?“ Oje, Lebensmittelrecht? Genau, Kompost. Entspannter ist der lebensmittelrechtliche Umgang in Mönchengladbach: „Schokoladen-Goldtaler wurden noch am Spieltag an Kinder bzw. jugendliche Stadionbesucher verteilt.“ Tennisbälle gingen an Kitas. „Eine konkrete Angabe oder seriöse Schätzung ist nicht möglich.“
Ja, Leute: Wochenlang überall Tennisbälle. Aber kaum wer hat gezählt, nicht mal Erfolgsmeldungen über Einlasskontrollen gibt es: „… Dank unserer aufmerksamen Security haben wir den Besuchern in drei Heimspielen 689 Bälle abgenommen.“ Wolltet Ihr etwa nicht? Müssen wir mutmaßen, dass manche Klubs heimlich gemeinsame Sache mit ihren Ultras gemacht haben?
Augsburg wird schließlich doch noch konkret. Eingesammelt: drei Tennisbälle in vier Heimspielen. „Die drei Bälle werden intern verwertet, da bei dieser Größenordnung keine Weitergabe an Tennisclubs o. ä. als sinnvoll erachtet wurde.“
Wegen der vielen vagen Auskünfte bleiben wir die klare Antwort schuldig, ob nun genau 3.177 Tennisbälle oder noch weniger den Milliardendeal der DFL gestoppt haben. Zumal es keine Antwort gab von BVB und Union, aus Darmstadt, Freiburg und Köln. Auch München hat seinen neuen FCB-Fan nicht mehr kontaktiert. Aber beim FC Ruhmreich ist Thomas Tuchel derzeit wohl das einzig wichtige Flugobjekt für baldige Entsorgung.
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