: Familientreffen der homosexuellen Welt
■ HamburgerInnen bei den vierten Gay Games in den USA Aus New York Werner Hinzpeter
Das Gerücht sprach sich schnell unter den Hamburger Sportlern herum, die dieser Tage in New York sind: „Wir haben eine Goldmedaille im 10.000-Meter-Lauf gewonnen!“ Das ist nun drei Tage her, doch noch immer sind die Veranstalter der „Gay Games IV“, der schwul-lesbischen Olympiade, nicht imstande, das offizielle Ergebnis zu übermitteln.
Die teilweise chaotische Organisation, wenig Zuschauerplätze und immens hohe Preise könnten genug Anlaß zum Meckern geben. Doch die knapp 10.800 Sportlerinnen und Sportler aus 44 Nationen, die sich noch bis zum Samstag abend in 33 Sportarten von Aerobic über Eiskunstlauf und Gewichtheben bis hin zum Volleyball messen, sind bester Laune. Kein Wunder, können sich doch die meisten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Hause nicht annähernd so offen als Schwule oder Lesben zu erkennen geben wie hier.
Verschiedene Kongresse von Schwulen- und Lesbenverbänden tagen parallel, dazu etwa 400.000 DemonstrantInnen anläßlich des 25. Jahrestages der Aufstände rund um die New Yorker Stonewall-Bar. Die homosexuelle Welt hat sich zum Familientreffen versammelt. Doch die Gay Games sind mehr als nur eine Versammlung von Freizeitsportlern. „Wir wollen zeigen, daß auch Schwule und Lesben Freizeitathleten sein können“, sagt Marlin Collingwood, der Pressesprecher der Spiele. Entsprechend gefeiert werden Auftritte schwuler Olympiasieger. Turmspringer Greg Louganis, bekannt geworden durch seinen unglücklichen Sprung, bei dem er 1988 in Seoul mit dem Hinterkopf auf das Brett aufschlug, kam für zwei Showeinlagen, der mehrfache 1984er Olymiasieger Bruce Hayes nahm sogar an den Wettkämpfen teil und erschwamm dabei eine Weltbestzeit für seine Altersgruppe (mehr als 30 Jahre) über 800 Meter-Freistil.
Die etwa 65 Hamburger AthletInnen sind weniger rekordverdächtig. Für sie gilt das beinahe olymische Motto der Spiele: „Dabei sein, das Beste geben, niemanden ausschließen.“ Besonders in den Mannschaftssportarten haben sie gegen die US Teams, in denen häufig College- und sogar NationalspielerInnen mitwirken, keine Chance.
Völlig untergegangen gegen die Cracks aus den Vereinigten Staaten ist das Basketballteam des schwulen Hamburger Sportvereins „Startschuß“. Immerhin verloren sie am Ende der Vorrunde nicht mehr mit über 50 Punkten Differenz wie in ihrem ersten Spiel gegen das Team Chicago (22:78). Und Spaß gemacht habe es trotzdem, erzählt Basketballer Kalle Meinertshagen, nicht zuletzt, weil viele der US-Spieler schon kurz nach dem Spiel intensiv mit den Hamburger Startschüsslern geflirtet hätten.
In einer schlecht klimatisierten Halle (über 35 Grad Celsius) im College des Stadtteils Queens spielen die Volleyballer. „Wie können sie das tun?“ fragt ein Zuschauer aus San Francisco, als einer der schweißüberströmten Startschuß-Pritscher zwischen zwei Aufschlägen einen seiner Amsterdamer Geg ner umarmt. Nicht, daß ihn die Zärtlichkeit als solche stört. Doch Nordamerikaner gehen ihre Matches hier sehr viel ehrgeiziger an als die Europäer.
Freundschaft ist für sie erst nach dem Schlußpfiff erlaubt. Für den Sieg der Hamburger gegen Nezzo Amsterdam hat es schließlich dennoch gereicht. Letztlich können die Herren wie auch die zwei Hamburger Frauenteams des lesbischen Sportvereins „Rrasant“ aber nur mit einem Platz im Mittelfeld rechnen.
Nur wenige Kilometer vom Queens College entfernt findet im Park von Flushing Meadows die Vorrunde des Fußballwettkampfes statt. Während für die Tennisausscheidung der Gay Games die berühmten Anlagen der US-Open zur Verfügung stehen, müssen sich die Kicker mit hügeligen Bolzplätzen zufrieden geben.
Immerhin haben sie mit ihren Cheergirls die wohl besttrainierten Schlachtenbummler der Spiele. Doch das Auftaktspiel gegen die schwule Florida-Auswahl endete trotz Überlegenheit der Hamburger mit einem ziemlich ungerechten 1:1-Unentschieden. Titelverteidiger „Vorspiel Berlin“ schlug die Jungs aus Miami und Umgebung am Tag darauf mit 3:0.
Sollte sich das Gerücht um den Sieg im 10.000-Meter-Lauf nicht bestätigen sieht es also nicht gerade rosig aus für preiswütige Hamburger. Immerhin können sie sich mit einer besonderen Auszeichnung trösten: Die New Yorker Wochenzeitung „The Village Voice“ verlieh der „Crew Hamburg“ für die Matrosenhemden, mit denen sie bei der Eröffnungsveranstaltung einlief den Preis „Bestes homosexuelles Outfit“.
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