piwik no script img

■ Rücktritt ist der richtige SchrittFalsches Druckmittel

Ein Abgeordnetenmandat dient bekanntlich vielerlei Interessen: Der Inhaber kann damit das Volk vertreten, womit sich allerdings die wenigsten begnügen, er kann Lobbyisten vertreten, womit sich die meisten vergnügen, er kann damit die eigene Karriere befördern, was zwar anrüchig, aber nicht verboten ist, und er kann seine Stimme verkaufen, was anrüchig und verboten ist. Die vier Abgeordneten des Bündnis 90 haben dieser, sicher nicht vollständigen Palette eine weitere Facette hinzugefügt. Sie nutzen ihr Mandat, um Druck auf die eigene Partei auszuüben. Durch Nichtstun wollen sie angeblich befördern, was allerdings schon jetzt unausweichlich ist. Die Vereinigung der Berliner Landesverbände von Bündnis 90 und Grünen ist bereits mit der Urabstimmung ausgemachte Sache, verhandelt wird lediglich noch um Einflußsphären und ideologische Duftnoten.

Es zeugt von der Verknöcherung der Konflikte, daß der entscheidende Dissenspunkt Rotation entlang der Ost-West-Demarkationslinie verhandelt wird, obgleich sich die Protagonisten einer größeren personellen Kontinuität bei Ämtern und Mandaten auch unter den Grünen befinden. Unter ihnen müßten auch etliche an der kritischen Reflexion der eigenen Politik gegenüber den Bürgerbewegungen interessiert sein. Grenzübergreifende Anträge wären folglich der konsequentere Weg zu einer Einheit, die einmal mit einer gemeinsamen Fraktion beider Parteien begann. In ihr sind die vier Bündnis-90-Abgeordneten angetreten, die spezifischen Interessen der Ostberliner zu vertreten. Man hat nicht den Eindruck, daß sie „auf dieser Schiene“ bereits so viel geleistet haben, daß sie nun ihre Arbeit ruhen lassen können, um solchermaßen ihren parteiinternen Interessen zu frönen. Dazu wurde ihnen das Mandat nicht erteilt. Wenn sie der Ansicht sind, ein ruhendes Mandat sei ein probates Mittel, Druck auf Parteigremien auszuüben, dann sollten sie diesen Druck konsequenterweise steigern und ihr Mandat zurückgeben. Ihre Partei wird es ihnen sicher danken. Dieter Rulff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen