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Falsche Solidarität in der TürkeiNicht nur in den USA

Der türkische Präsident verurteilt die rassistische Tat von Minneapolis. Wäre sein Antirassismus ernst gemeint, würde er im eigenen Land aufräumen.

Auch eine türkische Spezialität: Polizeigewalt, hier beim Internationalen Frauentag in Istanbul Foto: Akin Celiktas/imago images

D ie Jobbeschreibung eines Polizisten liest sich so: Die Polizei soll die öffentliche Sicherheit und Ordnung bewahren, Ladendiebstähle und Morde aufklären, Verkehrsunfälle dokumentieren. Was aber, wenn die Polizei lügt, foltert und mordet?

Letzte Woche sind Videos aufgetaucht, in dem türkische Polizisten in Amed (Diyarbakır) einen nackten, am Boden liegenden Mann misshandeln. Die Polizisten fühlen sich so sicher, dass sie die Tat nicht einmal verheimlichen. Im Gegenteil: Sie verbreiten das Misshandlungsvideo sogar selbst auf ihren Social-Media-Kanälen. Sie wissen, dass ihnen keine Konsequenzen drohen. Von wem auch? Von Erdoğan sicherlich nicht. Diese Art von Polizeigewalt ist Alltag in der Türkei und in den von der Türkei besetzten Gebieten in Nordsyrien. Polizisten foltern. Polizisten töten. Polizisten sind rassistisch und nationalistisch.

Die Gewalt gegenüber Kurd*innen in der Türkei ist nicht nur individuell. Nein, sie ist auch systematischer Staatsterror, der in der Staatsgründung 1923 der Türkei verankert ist. Wir erinnern an den „Held“ der Kemalisten: Herrn M. K. Atatürk, der über Nacht alle Minderheiten zu Türk*innen gemacht hat. Dieser türkische Nationalismus zieht sich bis heute durch die ganze Türkei. Inklusive Import-Export Deutschland. Wann werden die „Grauen Wölfe“, die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland, verboten?

Rassistische Gewalttaten stehen in der Türkei auf der Tagesordnung: Vater und Sohn wird ins Gesicht geschossen, weil sie Kurdisch gesprochen haben. Ein Rentner wird im Krankenhaus aus dem gleichen Grund verprügelt. Vor ein paar Tagen wurde der 20-jährige Kurde Barış Çakan in Ankara mit Messerstichen ermordet, mutmaßlich weil er kurdische Musik gehört hat.

Sklaverei im Osmanischen Reich

Terror-Diktator Erdoğan hat sich auf seinem Twitteraccount zu George Floyd geäußert, der von einem weißen Polizisten rassistisch ermordet wurde. Terror-Erdo verurteilte die rassistische Tat. Die Gruppe Black Socialists in America antwortete auf den Tweet: „Shut the Fuck up, Fascist!“ (Solidarische Grüße gehen raus: #blacklivesmatters, und zwar überall!).

Terror-Erdo ist die Geschichte in seinem eigenen Land bestimmt nicht entgangen: Anti-Schwarzer Rassismus hat eine sehr lange Tradition. Schon im 15. Jahrhundert wurden Schwarze Menschen als Sklav*innen ins Osmanische Reich verschleppt.

1857 wurde die Sklaverei offiziell abgeschafft, aber trotzdem noch weitergeführt. Schätzungen zufolge kamen insgesamt eine Million Schwarze Sklav*innen ins Osmanische Reich. Bis heute gibt es den anti-Schwarzen Rassismus: Schwarze Menschen werden im Bildungssystem diskriminiert, auf dem Arbeitsmarkt, sind häufig von Armut betroffen und werden ausgegrenzt.

Würde Terror-Erdo seine Solidarität ernst meinen, würde er mit antirassistischer Arbeit im eigenen Land beginnen. Überall dort, wo es Rassismus gibt, gibt es Polizeigewalt. Polizeigewalt und Rassismus gehen Hand in Hand.

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Ronya Othmann
Kolumnistin
Kolumnistin, Autorin, Lyrikerin und Journalistin. Schreibt zusammen mit Cemile Sahin die Kolumne OrientExpress
Cemile Sahin
Künstlerin
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