Fall Stradivari: Geigenschüler freigesprochen

■ Keine ausreichenden Anhaltspunkte für Anstiftung / Geigenräuber zu 13 Jahren verurteilt

Der 33jährige Marim B. ist gestern vom Landgericht Bremen wegen Raubes mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt worden. Er schlug die Hände vors Gesicht und fing nach der Urteilsverkündung an zu weinen. Das Gericht gelangte nach 14 Verhandungstagen zu der Auffassung, daß er im Oktober 1996 die damals 60jährige Musikprofessorin Maria Grevesmühl auf dem Bahnhof in Bremen-Schönebeck überfallen und ihre wertvolle Stradivari geraubt hat. Grevesmühl stürzte bei dem Überfall die Treppe hinunter und starb. Der 22 Jahre alte Mitangeklagte Vasile D. wurde freigesprochen. Marim B. hatte stets behauptet, der Musikstudent und Lieblingschüler von Maria Grevesmühl hätte ihn zur Tat angestiftet.

Daß er nicht von alleine auf die Idee gekommen war, die Musikprofessorin zu überfallen, hielt auch das Gericht für wahrscheinlich. Daß Vasile D. der Anstifter war, glaubten die drei Berufsrichter und die beiden Schöffen hingegen nicht., Es gebe „keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Anstiftung“, sagte die Vorsitzende Richterin Hilka Robrecht in ihrer Urteilsbegründung. Möglicherweise hätte Vasile D. „leichtfertig herumerzählt“, daß seine Professorin eine zwei Millionen Mark teure Geige mit sich herumtrage und sei von anderen „ausgehorcht“ worden, sagte die Richterin. Den Aussagen von Marim B., der immer wieder neue Versionen des Tatherganges geschildert hatte, schenkten die Richter keinen Glauben. Die Aussagen seien voller „Widersprüche“ und „Falschaussagen“. „Was haben wir in den Händen, was wir Ihnen glauben sollen“, sagte Robrecht mit Blick auf den Angeklagten.

Auch der Staatsanwalt hatte 13 Jahre Haft für Marim B. gefordert. Der Ankläger war davon überzeugt, daß Vasile D. hinter der Tat steckte und forderte für ihn eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Seine Mittäterschaft sei durch drei Zeugenaussagen belegt, meinte der Staatsanwalt. Die Zeugenaussagen seien für sich genommen zwar „relativ schwach“. Aber, so der Staatsanwalt: „Das können die sich nicht alle ausgedacht haben.“

Das Gericht sah das allerdings anders. Eine Zeugin, eine Japanerin, die früher an der Musikhochschule studiert hatte, hätte Vasile D. eher entlastet. Auch die Aussagender Zeugin Olympia L., die in der vergangenen Woche Vasile D. in der Regionalsendung buten und binnen schwer belastet hatte, seien „einfach falsch“, so die Richterin. Sie und auch ihr Stiefvater, hätten eher den Eindruck geschildert, daß V. etwas mit dem Raub zu tun gehabt haben müsse. „Wir verurteilen niemanden nur wegen Vermutungen und Gerede.“ Darüber hinaus hätte die Japanerin eher den Eindruck gehabt, Olypia L., die Geliebte von Marim B., hätte bei dieser Sache „eine Führungsposition“ eingenommen. Unter Umständen hätten diese Zeugen Vasile D. aus „Eigeninteresse“ belastet.

Der Anwalt von Marim B. hatte eine geringere Freiheitsstrafe wegen Diebstahls und fahrlässiger Tötung beantragt. Außerdem hielt er daran fest, daß sein Mandant von Vasile D. angestiftet worden war. Gerade weil die Aussagen so „chaotisch“ seien, seien sie glaubhaft, so der Anwalt. Sein Mandant hätte schließlich keinen besonders hohen „IQ“. Der Anwalt von Vasile D., der auf Freispruch plädiert hatte, kritisierte die Kripo. Sie hätte sich viel zu früh auf den möglichen Anstifter Vasile D. festgelegt und sich von den laufenden Fernsehkameras blenden lassen. Wie berichtet, wurden bei den Ermittlungen der Mordkommission für die ARD-Serie „Unter deutschen Dächern“ gedreht. Teile des Films wurden später wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte vom Hamburger Landgericht verboten. Die Kripo hätte damals nicht „die notwendige kritische Distanz gewahrt“ und die „Chance, die Wahrheit zu finden, verspielt“. Dem folgte das Gericht nur zum Teil. Die Beamten hätten sich bis zuletzt, bemüht, Licht ins Dunkel zu bringen, so Robrecht. Aber „es wäre besser gewesen, wenn der Film“ über den Fall „nach Beendigung des Prozesses gezeigt worden wäre.“ Kerstin Schneider