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»Fall Rathenow« oder Fall Höpcke?

■ Über die Anzeige des Ostberliner Schriftstellers Lutz Rathenow gegen den langjährigen Literaturverantwortlichen der SED und früheren Vizekulturminister Klaus Höpcke (heute PDS)

Berlin. Im Kulturteil der gestrigen Berlin-Ausgabe der taz wurde unter der Überschrift »Der ‘Fall Rathenow‚« die Strafanzeige erwähnt, die der langjährige DDR-Oppositionelle gegen den ehemaligen stellvertretenden SED-Kulturminister Klaus Höpke gestellt hat. Rathenow will mit der Anzeige insbesondere auch erreichen, daß er Zugang zu seiner Stasi-Akte erhält. Weil in dem gestrigen Artikel der ehemalige Vizekulturminister der DDR und Literaturverantwortliche Klaus Höpcke vor allem als Oppositioneller und Opfer der SED dargestellt wird und der Eindruck entstehen könnte, es handele sich nicht um einen »Fall Höpcke«, sondern um einen »Fall Rathenow«, soll hier aus der dem gestrigen Text zugrunde liegenden 'dpa‘-Meldung die Begründung für die Anzeige nachgetragen werden. Die Berlin-Redaktion

Rathenow, Verfasser von Prosa (Mit dem Schlimmsten wurde schon gerechnet), Gedichten, Essays, Stücken und auch Kindertexten, hat jetzt Anzeige erstattet gegen Klaus Höpcke, den er als einen der Hauptverantwortlichen rigider SED-Kulturpolitik ansieht. Leute wie Höpcke hätten oft mit Mielkes Ministerium für Staatssicherheit Hand in Hand gearbeitet.

Diesen Vorwurf erhebt auch Loest, der von einer »Zensur des Klaus Höpcke« spricht. Dieser war früher Redaktuer beim SED-Zentralorgan 'Neues Deutschland‘ unter Chefredakteur Hermann Axen und von 1973 bis Herbst 1989 als stellvertretender Kulturminister verantwortlich für das Verlagswesen und den Buchhandel in der damaligen DDR.

Wegen Rathenows Anzeige, die beim Landgericht Berlin eingegangen ist, hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. In seinem Fall vermutet der Autor Straftatbestände wie Verleumdung, versuchte Nötigung und möglicherweise auch Beihilfe zur Freiheitsberaubung. Wie auch immer das Ermittlungsverfahren ausgeht, über diesen Einzelfall hinaus kann erneut einiges davon deutlich werden, wie die für Kulturpolitik Verantwortlichen im totalitär geführten Staat mit Intellektuellen, insbesondere Schriftstellern, umgegangen sind.

Für Rathenow ist der ehemalige stellvertretende Minister »nicht irgendein auswechselbarer Funktionär, der nur Befehle ausführte«, denn »ohne Personen wie Klaus Höpcke, mit einem Talent für Medienauftritte, hätte die Selektionspolitik in der DDR-Kultur nicht funktioniert, ein leicht durchschaubarer Zensurapparat wäre zutage getreten«. Der damalige stellvertretende Minister sei auch für Reiseverbote zuständig gewesen. Rathenow wirft Höpcke unter anderem »Zusammenarbeit mit der Generalstaatsanwaltschaft der DDR und dem Ministerium für Staatssicherheit bei meiner Verhaftung 1980« sowie die Einleitung eines Veröffentlichungsverbots vor. dpa

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