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Fall Mehdi N.Abschiebung erneut vor Gericht

Ein Gericht verbot die Abschiebung von Mehdi N. Trotzdem flogen ihn die Behörden nach Marokko. Nun wird der Fall noch mal aufgerollt.

Flughafen Leipzig. Im Abschiebebereich von Asylbewerbern Foto: Sven Döring/laif

Leipzig taz | Im Fall einer umstrittenen Abschiebung aus Chemnitz hat das Bundesverfassungsgericht ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Sachsen (OVG) aufgehoben. Das muss sich erneut mit dem Fall beschäftigen und der Anwältin des abgeschobenen Marokkaners Mehdi N. Einsicht in die Akten gewähren. Indem es das verweigert hatte, sei Mehdi N. in seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren verletzt worden.

Mehdi N. war vergangenes Jahr am 11. Juli aus seiner Flüchtlingsunterkunft abgeschoben worden – und das, obwohl seine Anwältin Inga Stremlau erfolgreich beim zuständigen Verwaltungsgericht beantragt hatte, die Abschiebung abzubrechen. Mehdi N. ist mit der deutschen Katja N.-B. verheiratet. In der Entscheidung stand, die Abschiebung sei „unmöglich“ – „aufgrund der familiären Bindungen des Antragstellers in Deutschland“.

Doch die Stadt Chemnitz und die Landesdirektion Sachsen leiteten eigenmächtig das Gerichtsurteil nicht an die Bundespolizei weiter. N. wurde nach Marokko abgeschoben.

Später änderte das OVG die Entscheidung

Später änderte das OVG die Eilentscheidung, es habe kein Grund bestanden, die Abschiebung abzubrechen. Aber genau das muss das Oberverwaltungsgericht nun nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im März noch mal prüfen.

„Die Akten werden aktuell nach und nach zur Einsicht übersandt“, sagte Inga Stremlau der taz. Sie schaue zunächst, ob die Akten vollständig sind. Schon außergerichtlich war vor der Abschiebung beantragt worden, dass Mehdi N. einen Familienaufenthalt erteilt bekomme und er nach Bochum zu seiner Frau Katja N.-B. „umverteilt“ werde. Als abgelehnter Asylbewerber durfte er nur mit Genehmigung aus Chemnitz wegziehen. Ob und wie weit die Anträge in Chemnitz bis zur Abschiebung bearbeitet wurden, wisse Stremlau nicht. Das wolle sie in den Akten kontrollieren.

Im Urteil des OVG heißt es, ein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis wegen einer geschlossenen Ehe habe der Ausländerbehörde nicht vorgelegen. Zudem erklärte das OVG, weil die Ehefrau N.-B. in Bochum wohne, N. aber in Chemnitz, bleibe es ohne Folgen, dass sie durch die Abschiebung getrennt sind.

Im Gespräch mit seiner Frau

Im Gespräch mit Katja N.-B. klingt das anders. Wenige Tage nach der Hochzeit habe das Ehepaar einen Termin für den Visumsantrag für Mehdi N. beantragt, um zusammenleben zu können. Die Bearbeitung habe sich über Monate in die Länge gezogen.

Nach der Abschiebung habe sie Mehdi N. zuletzt im Dezember in Marokko besucht. Doch wegen einer Operation an ihrer Wirbelsäule kurz danach gehe das nicht mehr. „Ich bin körperlich eingeschränkt und habe nicht mal seine Unterstützung hier“, berichtet N.-B.. Zwar telefonierten sie so oft es gehe per Video, „aber das ist eben nicht Auge in Auge“. Es fehle die Nähe, die sie sich in der Ehe wünsche.

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgt noch nicht, dass die deutschen Behörden N. zurück nach Chemnitz holen. Zunächst wird das OVG erneut über die Untersagung der Abschiebung entscheiden. Sollte das OVG im Sinne von Mehdi N. entscheiden, könne Stremlau seine Rückholung neu beantragen. Doch das dürfte dauern.

Stremlau hofft, dass es mit dem Visum schneller gehe. Katja N.-B. erzählt, Mehdi N. habe vor sechs Monaten endlich seinen Termin wegen des Visums bei der Botschaft in Marokko gehabt. Auch dort heißt es seitdem: warten.

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