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Faktencheck zu Wahl – Teil 2Die Klima-Ignorantin im Kanzleramt

In der Öffentlichkeit tritt Angela Merkel für Klimaschutz und erneuerbare Energien ein. Für das Kanzleramt bezieht sie jedoch keinen Ökostrom - dabei zeigen Kabinettskollegen, dass das geht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel vor ihrem Amtssitz, hier zusammen mit dem - vor kurzem abgewählten - japanischen Ministerpräsidenten Taro Aso. Bild: dpa

BERLIN taz | In der ARD sagte Angela Merkel Anfang dieser Woche, sie sei "sehr für erneuerbare Energien". Überhaupt stellt sich die CDU-Kanzlerin gern als verantwortungsbewusste Umweltretterin dar. Ende August hatte sie bei einer Rede in Mülheim an der Ruhr gesagt: "Wir leben von den natürlichen Ressourcen, und wir alle haben den Auftrag, unser Leben zu gestalten - aber nicht auf die Art und Weise, dass diejenigen, die nach uns kommen, unsere Kinder und Enkel, zum Schluss keine Lebensgrundlage mehr haben."

Besonders betont Merkel, wie wichtig es ist, den Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid zu verringern. Anfang Juli sagte sie in einer Regierungserklärung im Bundestag: "Europa hat eindeutig die Führung. Wir wollen sehr viel deutlichere Reduktionsziele erreichen. Mit diesem Führungsanspruch werden wir auch weiterhin diejenigen sein, die ermutigen und antreiben." Bereits im Dezember 2007 hatte sie klargemacht, dass es bei der Weltrettung auf den Beitrag jedes Einzelnen ankomme. Umweltschutzverbände hatten aufgerufen, um 20 Uhr für 5 Minuten das Licht auszuschalten. Merkel schrieb in einem Gastbeitrag für Bild, dies sei "ein starkes Signal: Dass es nämlich auch in unserer Hand liegt, in der Hand jedes Einzelnen, zum Klimaschutz beizutragen."

Was unternimmt also Merkel selbst für den Klimaschutz? Welchen Strom lässt sie sich ins Kanzleramt liefern? Die überraschende Antwort: Man weiß es nicht. Merkel bezieht über das öffentliche Netz einfach den billigsten Strom und kann nicht einmal sagen, wie er erzeugt wird. Dabei können Behörden durchaus Umweltstandards beim Stromeinkauf vorgeben - zwei ihrer Kabinettskollegen machen das vor.

Bild: taz

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Angela Merkel: "Ich bin sehr für erneuerbare Energien, wir haben sehr anspruchsvolle Ziele", sagte die Kanzlerin in der Sendung "Wahlarena", die die ARD am Montagabend ausstrahlte. Eine Bürgerin, die in der Nähe des Atomkraftwerkes Krümmel wohnt, hatte gefragt, ob ein Verzicht auf Atomkraft nicht besser wäre. Merkel sagte, die CDU halte Atomkraft für eine "Brückentechnologie". Mittelfristig brauche man sie also noch, auch wenn man langfristig davon wegkommen wolle. Laut dem derzeit geltenden Atomgesetz wird der letzte deutsche Reaktor voraussichtlich im Jahr 2021 abgeschaltet. Merkel sagte, es sei notwendig, noch länger auf Atomkraft zu setzen, denn: "Wir können so schnell nicht umsteuern."

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Zuständig für den Stromeinkauf vieler Behörden ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Die hatte letztes Jahr beim Kanzleramt und bei Ministerien angefragt, ob sie Ökostrom wollen - das war nur bei zwei Abnahmestellen der Fall. So kommt es, dass derzeit nur das Verkehrsministerium von Wolfgang Tiefensee und das Umweltministerium von Sigmar Gabriel (beide SPD) reinen Ökostrom beziehen. "Für alle weiteren Abnahmestellen standen preisliche Aspekte im Vordergrund, sodass die Herkunft der elektrischen Energie keine Berücksichtigung fand", erklärt Peter Waanders vom Kompetenzzentrum für Vergabesachen der Bundesanstalt.

Am 28. Februar 2009 hatte die Behörde mit einer europaweiten Ausschreibung nach Unternehmen gesucht, die insgesamt 178 Millionen Kilowattstunden pro Jahr liefern, den Verbrauch von gut 50.000 durchschnittlichen Privathaushalten. Die Ausschreibung war aufgeteilt in 175 Millionen Kilowattstunden "ohne vorgegebene Herkunft" für das Kanzleramt und die meisten anderen. Nur 3 Millionen Kilowattstunden sollten "aus erneuerbaren Energien" stammen.

Rechtlich ist es kein Problem, wenn ein Ministerium Ökostrom einkaufen will. Der weit verbreitete Mythos, dass es immer das billigste Produkt sein muss, ist falsch. "Behörden können beim Stromeinkauf auch ökologische Vorgaben machen", sagt Günter Brombosch, der Vergaberecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin lehrt. "Wichtig ist dabei, dass die Vorgaben klar definiert sind und für alle Bieter gleich." Bei Strom ist das leicht: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz legt fest, was Ökostrom ist, und es gibt genügend Anbieter, die ihn liefern können.

Die Kanzlerin hat sich allerdings gegen Ökostrom entschieden. Ob sie jetzt Atomstrom aus Tschechien bezieht, Kohlestrom aus der Lausitz oder aus welcher Quelle sonst, das ist nicht bekannt. Weil "Strom ohne vorgegebene Herkunft nachgefragt wurde, verfügt die Bundesanstalt naturgemäß über keine diesbezüglichen Informationen", erklärt Waanders. Unbekannt ist auch, wie viel Kohlendioxid die Kanzlerin mit ihren Kabinettskollegen in die Luft bläst. Dieser Aspekt hat beim Stromeinkauf für die meisten Ministerien einfach keine Rolle gespielt und wurde daher nicht abgefragt.

Warum kauft Merkel keinen Ökostrom ein? Das Kanzleramt hat sich "aus wirtschaftlichen Gründen für den Bezug von Normalstrom entschieden", erklärt ein Regierungssprecher auf taz-Anfrage. Das Kanzleramt hatte also Angst, der Ökostrom würde zu teuer werden. Nun könnte man ja leicht vergleichen, wie hoch der Aufschlag für den Ökostrom war, den die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gekauft hat. Doch dort ist man "der Auffassung, dass Vertragsinhalte grundsätzlich als Geschäftsgeheimnis der hiesigen Vertragspartner zu werten sind", so Waanders. Es soll unter Verschluss bleiben, was der Bund für seinen Strom zahlt.

Andere legen bei Steuergeldern mehr Wert auf Transparenz. Hessen etwa bezieht derzeit reinen Ökostrom - und zahlt dafür in diesem Jahr 20,3 Millionen Euro. Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU): "Der Aufpreis für Ökostrom beträgt 210.000 Euro, was einem Plus von rund einem Prozent entspricht." Auch der Bundestag zahlt für seinen Ökostrom einen Aufschlag von zwei Prozent. Eigentlich nicht viel - aber offenbar zu viel für die Kanzlerin.

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