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Fakten, Fans, Fanfaren etc.„Der Dylan! Der Dylan!“

■ Marsmännchen D. ißt Bratwurst bei Helmstedt. Ein Tatsachenreport

Die Sensation passierte gleich nach dem Konzert in Hannover. Die Freunde waren aufgebrochen – mit dem Auto zurück nach Berlin. Bei Helmstedt waren sie für eine kurze Pause auf einen Rastplatz gefahren. Und plötzlich war da auch der Bus von Bob Dylan. Frau Steebe hatte das ganz richtig beobachtet: wie der graue Wal sich zögernd und unentschlossen auf den Parkplatz schob. Frau Steebe war als einzige im Auto geblieben, während die Herren Steebe, Stefan und Fröhlich an den hierfür vorgesehenen Örtlichkeiten munter ihr Wasser abschlugen.

Natürlich wußte Frau Steebe, was zu tun war, und machte sich geradezu panikartig auf die Suche nach Gemahl und Freunden: „Der Dylan, der Dylan, der Dylan. Der Bus, der Bus. Der Bus ist gerade vorgefahren. Der Bus vom Dylan, Mönsch“, japste sie. Eine Botschaft, die Herrn Stefan umgehend zu rotglühender Panik aufheizte: „Was? Wie? Wo? Wo? Wo? Wo? Wo?“ bellte er in die Nacht. Wohingegen Herr Steebe die Sache wesentlich stoischer zur Kenntnis nahm. Er hat der stürmischen Jugend einiges voraus an Jahren und Erfahrung. Und so fragte Herr Steebe nur dreimal nach dem Ort des Befindens von Herrn Dylan und seinem Reisegefährt: „Wo? Wo? Wo?“ Und er peitschte das auch nicht so stakkatoartig heraus, sondern blieb gelassen. Wie gesagt: Alter und Erfahrung. Herr Fröhlich schließlich, der dritte Herr im Bunde, schüttelt das von schlohweißem Haar umwehte Haupt und brachte die Angelegenheit auf seinen sehr eigenen Punkt: „Immer wenn dieser Dylan sich nur halbwegs in eurer Nähe aufhält, werft ihr sofort blindwütig und hysterisch Verstand und Contenance in weitem Bogen von euch.“ Und daß dies doch bedenklich sei.

Aber da waren die anderen schon an der Imbißbude auf dem Parkplatz, wo tatsächlich im selben Moment der Dylan-Bus vorfuhr. Weniger grauer Wal jetzt; eher Raumschiff von einem anderen Stern. Und eine Tür öffnete sich, und in der Luke erschien ein kleines, gebeugtes, zerknittertes Männlein. „Mensch, das isser, das isser...“ Und die Freunde standen wie erstarrt. Als käme der direkt vom Mars. Großes Staunen. Offene Münder. Und der Marsmensch setzte eine Brille ab und eine Kapuze auf; verhüllte den ganzen Kopf damit, auf daß man ihn nicht erkenne; das macht er immer so; das weiß jeder. Und stieg aus und ging zur Imbißbude, klopfte an die Scheibe, stocherte mit dem Zeigefinger nervös in Richtung Wurst und sagte: „One ... one“; schwer näselnd, wie das seine Art ist. Das haben die Freunde deutlich gehört. Und er warf zwei blaue Scheine in die Klappe, näselte noch mal: „Okay, okay.“ Bekam eine Wurst. Und aß. Mein Gott: Kommt direkt vom Mars. Und ißt. Eine Wurst.

Herr Steebe, Frau Gemahlin und Herr Stefan sahen und hörten alles ganz genau. Sie standen unmittelbar daneben. Herr Stefan konnte es immer noch nicht fassen: so dicht dran an dem vom anderen Stern. Und ging noch dichter ran und stammelte so was wie: „Sännk juh for sä werri naiss concert.“ Da starrte der Meister vom Mars nur stumpf vor sich hin, drehte ab in die andere Richtung und segelte davon.

Dafür trat ein Tourbegleiter auf den Plan und belehrte Herrn Stefan, er solle das bloß nicht noch mal versuchen: Dylan anzusprechen... bloß nicht noch einmal. Der würde auf Tour niemals mit Leuten sprechen und schon gar nicht nach einem Konzert und erst recht nicht mit irgendwelchen Fans. Und Autogramme gebe er auch nicht... Da schaltete sich Frau Steebe ein, getrieben offensichtlich von einer Art Mutter-, Glucken-, Beschützerinstinkt dem wesentlich jüngeren Herrn Stefan gegenüber... Frau Steebe also schaltete sich ein mit der kecken Frage an den Tourbegleiter: „Wotts johr Dschobb?“ Woraufhin der Frau Steebe überaus empört ansah und zurückfragte: „...and what's yours, lady?“ So hatte sich das auch erledigt.

Autogramme bekam Herr Stefan schließlich doch noch: von Dylans Band, seinen Begleitmusikern. In ein Songbook, das Herr Stefan ständig mit sich führt, für alle Fälle, und das der Gitarrist J.J. Jackson höchst interessiert durchblätterte, die Fotos betrachtete und seinen Kollegen zeigte: „Hey look, that's Bruce (Springsteen) here, and there's Bob (Dylan) ... and the hat behind them...“ – wo man wirklich nur einen riesigen Cowboyhut erkennen konnte, sonst nichts – „...that's me.“ Großes Hallo auf allen Seiten. Und der Schlagzeuger Winston Watson malte neben seinen Namen ein paar Trommeln. Und weiteres Hallo. Und Herr Stefan staunte. Und Toni Garnier, der Bassist, schrieb auch ins Buch. „Und die sind richtig nett, doch wirklich, sind die...“

Bis Dylan höchstselbst wieder auftauchte und etwas näselte, was so klang wie: „okay, we travel on“ ...da folgten sie dem Chef ins Raumschiff. Und weg waren sie. Verschluckt von der Nacht. Herr Stefan schluckte. In Berlin hat Herr Stefan die ganze Stadt abgesucht nach dem Tourbus von Bob Dylan; dem Raumschiff. Bei sämtlichen Hotels. Fehlanzeige.

Die Geschichte vom Rastplatz in Helmstedt hab' ich später noch etwa zweidutzendmal gehört. In unterschiedlichsten Variationen. Zum Beispiel auch beim Dylan- Konzert letztes Jahr im Tempodrom, wo viel vom Tourbus die Rede war (der richtige Bus aber erst ganz spät kam) und ich immerhin die reizende Frau Anders wiedergetroffen habe. Sie erzählte später, daß während des Konzerts die ganze Zeit Wim Wenders neben ihr gestanden habe. Ja, und überhaupt fanden wir das Konzert alle sehr schön. Nur Herr Steebe mußte mal wieder quertreiben und Hannover besser finden: Er fand Hannover besser, und dabei blieb er. H.P. Daniels

Dylan auf Tour: 17.6. Berlin, 19.6. Frankfurt, 1.7. Münster, 2.7. Mannheim, 3.7. Konstanz, 10.7. Tambach, 12.7. Magdeburg, 13.7. Hamburg (mit Neil Young!), 14.7. Cottbus

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