Fake-News in der „Bild“: Erfundener Sexmob in Frankfurt
Silvester-Übergriffe in Frankfurt/Main entpuppen sich als Lüge eines Wirts. Die „Bild“-Zeitung entschuldigt sich für ihre Berichterstattung.
Bild zitierte den Wirt der Café-Bar First In, Jan Mai. In der Bar und auf der Straße davor hätten sich angeblich wilde Szenen abgespielt. Von „Köln 2 in Klein“ war da die Rede. „Sie haben mir unter den Rock gegriffen“ beklagte sich Zeugin „Irina A.“.
Die taz berichtete vor einer Woche über die „spät entdeckte Randale“ und meldete Zweifel an. Die waren offenbar berechtigt, wie die Frankfurter Polizei jetzt bestätigt. Es werde wegen des Verdachts auf Vortäuschung einer Straftat ermittelt. Die beiden selbsternannten „Belastungszeugen“ müssten nun mit einem Strafverfahren rechnen. Unklar ist sogar, ob die angebliche Zeugin „Irina A.“ Silvester überhaupt vor Ort war.
Der taz hatte First-In-Chef Jan Mai vor einer Woche noch Details geschildert. Von etwa dreißig „arabisch sprechenden jungen Männern“ in der Bar und dreißig weiteren vor dem Lokal auf der Fressgass berichtete Mai. Sie hätten Gäste und Passanten angepöbelt, deren Getränke ausgetrunken, Jacken gestohlen und Frauen sexuell belästigt. Dass er trotz der schwerwiegenden Vorfälle die Polizei nicht eingeschaltet hatte, fand Mai normal. „Ich habe die Sache ja selbst regeln können“, sagte er.
Keine Auskunft mehr
Danach befragt, ob andere Kneipiers ähnliche Beobachtungen gemacht hätten, verwies Mai auf die benachbarte Victory-Bar. Nach taz-Recherchen gab es dort tatsächlich eine Schlägerei. Doch zu diesem Vorfall war die Polizei gerufen worden. Bei den Beteiligten handelte es sich um einen Deutschen und einen Osteuropäer. Darüber hinaus hatte sich Mai auf seiner Facebookseite als Sympathisant der AfD geoutet.
Am Dienstag war Mai nicht mehr zu sprechen. Auf Facebook beklagte er sich, Medien hätten ihn in die rechte Ecke gestellt. „Ich war immer ein braver CDU- und auch FDP-Wähler und habe gar nichts gegen Ausländer“, schreibt er.
Bild hat inzwischen den ersten reißerischen Bericht über den angeblichen „Sexmob“ aus dem Netz genommen und veröffentlichte auf ihrer Webseite eine Entschuldigung für die Berichterstattung über die „nicht wahrheitsgemäße“ Berichterstattung. „Die massiven mobartigen Übergriffen durch angetrunkene Ausländer …haben so nicht stattgefunden,“ schreibt Bild und stellt „mit Bedauern“ fest: „Diese Berichterstattung entspricht in keiner Weise den journalistischen Standards von Bild“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter