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Fairtrade-Messe in DortmundGefairlicher Erfolg

Kaffee, Blumen, Tee: Die Branche feiert in Dortmund ihre stark gestiegenen Verkäufe. Doch die Glaubwürdigkeit des Siegels steht infrage.

Alles Banane? Die Expansion des Fairtrade-Handels mit der Frucht sorgt für Probleme. Bild: imago/Schöning

KÖLN taz | „Von der Nische zum Mainstream“, so heißt eine aktuelle Trendstudie zum fairen Handel. Der Messebetreiber Westfalenhallen Dortmund wirbt damit für das größte Treffen der Branche ab Freitag. Der Titel passt, denn immer mehr Verbraucher kaufen Kaffee, Blumen oder Tee mit dem blau-grünen Fairtrade-Siegel: 2013 konnten die Händler den Umsatz allein in Deutschland um fast ein Viertel auf 650 Millionen Euro steigern.

„Von der Nische zum Mainstream“, für manche Branchenexperten klingt das wie eine Warnung. Die Befürchtung: Die Konzentration auf steigende Produktionsmengen könnte die Ziele des fairen Handels bedrohen, also die Verbesserung der Lebensbedingungen von Produzenten im globalen Süden. Bei Bananen etwa habe die steigende Nachfrage dazu geführt, dass aus Kleinbauern größere Landwirtschaftsbetriebe wurden. Die Kooperativen mussten Erntehelfer einstellen, die laut Recherchen in Costa Rica teils mies bezahlt wurden, sagt Pedro Morazán, Experte für Bananenhandel beim Institut Südwind in Bonn.

Bei Fairtrade International, der Organisation hinter dem Siegel, sind solche Probleme länger bekannt. Doch erst seit Anfang des Jahres gelten neue Standards für die Landwirte. Sie müssen nun immerhin Pläne vorlegen, wie sie existenzsichernde Löhne erreichen können. Bis die höheren Löhne auch bei den Erntehelfern ankommen, wird es allerdings noch dauern, teilt Fairtrade auf Nachfrage mit.

Auch in den Abnehmerländern gibt es Kritik. Um die Umsätze zugunsten der Landwirte weiterzusteigern, geht die Siegel-Organisation auf Großunternehmen zu. Zum Beispiel mit neuen Rohstoffprogrammen seit Anfang des Jahres. Unter anderem die Händler Rewe, Lidl und Kaufland machen mit. Zum Programm gehört ein neues Siegel, das jeweils nur für einen Rohstoff in einem Produkt gilt, zum Beispiel Kakao in Schokolade. Alle anderen verarbeiteten Rohstoffe dürfen aus konventioneller, möglicherweise unfairer Produktion stammen. Das Ergebnis: Die Fairtrade-Schokolade kann billiger produziert werden als bisher. Dahinter dürfte auch die Konkurrenz billigerer Konkurrenzsiegel stecken, etwa Rainforest Alliance oder UTZ.

Deswegen geht der große Importeur Gepa, von Beginn an ein Partner des fairen Handels, auf Distanz. Das Fairtrade-Siegel ist auf Gepa-Produkten kaum mehr zu finden, stattdessen das neue Zeichen „fair+“. Es soll der neue Goldstandard der Sozialsiegel sein.

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2 Kommentare

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  • Moritz Schröder , Autor*in des Artikels,

    Der faire Handel hat viel für Kleinbauern im globalen Süden erreicht. Er muss weiter wachsen und sollte zum Normalfall in Handel werden, damit Armut und unwürdige Arbeitsbedingungen von den Feldern und aus den Wäldern der Welt verschwinden.

     

    Dürfen wir eine so gute Idee wie den fairen Handel trotzdem kritisieren? Ja, wir sollten es sogar. Eine nur wohlmeinende Berichterstattung bringt niemandem etwas: Den Akteuren des fairen Handels nicht und den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht, die mit neuen Standards, etwa beim Fairtrade-Anteil in Mischprodukten, oder mit neuen Rohstoff-Programmen verwirrt werden. Solche Strategien zu hinterfragen heißt, den fairen Handel ernst zu nehmen, ihn anzutreiben.

     

    Dass Wachstum auch mit strengeren Standards und höheren Preisen geht, zeigt der Importeur Gepa. Der Weg von Fairtrade ist ein anderer: Mehr Präsenz in den Supermärkten, mehr Kontakt zu KundInnen, mehr Kooperationen mit Konzernen. Eine nachvollziehbare Strategie. Aber die bedeutet mitunter auch: Mehr Masse auf Kosten von Klarheit. Dabei geht es doch nicht nur um die ProduzentInnen im Süden, sondern auch um die Köpfe der Kundinnen und Kunden im Laden. Sie sollten verstehen, warum eine Fairtrade-Schokolade mehr kostet als eine konventionelle, wie viele Rohstoffe aus fairem Handel im Produkt stecken und was technokratische Vokabeln wie „Mengenausgleich“ bedeuten. Dann wissen sie auch, wofür die Extra-Euros gut sind.

     

    Dass der Importeur Gepa entschieden hat, sich trotz der Zertifizierung von FLO CERT vom Fairtrade-Siegel zu verabschieden, führt im schlimmsten Fall zu einer noch größeren Verwirrung der KundInnen. „Fair+“: Die nächste Plakette im versiegelten Einkaufsregal. Im besten Fall führt es dazu, dass der faire Handel mehr Beine im Handel bekommt. Dann gibt es in ein paar Jahren vielleicht das gute, aber bezahlbare „Massen-Fairtrade“ und das für die bewusstere Kundschaft mit strengeren Bedingungen.

     

    (Der Autor)

  • Ungefairliche Untätigkeit?

     

    Statt sich zu fragen, welche Ziele der Faire Handel tatsächlich verfolgt, ergeht sich der gestrige Artikel „Gefairliche Erfolge“ in Plattitüden, die den Erfolg von fair gehandelten Produkten als Schreckgespenst darstellen. Wenn es nach der TAZ geht, sollte sich der Faire Handel also dezent zurückziehen, in der Nische verschwinden und: niemanden erreichen – nichts verändern – alles ist gut.

     

    Genau das aber steht im Fokus von Fairtrade: möglichst vielen Kleinbauernorganisationen und Beschäftigten auf Plantagen durch die Instrumente, die uns dazu zur Verfügung, bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen ermöglichen. Diese Instrumente liefern uns die Fairtrade-Standards. Sie fördern die Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Organisationen, stärken Demokratie, Partizipation und Gleichberechtigung, fordern Umweltschutz und Biodiversität und bieten über stabile Mindestpreise und Prämien ein Sicherheitsnetz gegen die volatilen Weltmarktpreise. Diese Standards gelten unabhängig von Produkt-Siegel oder Rohstoffprogrammen. Fairtrade International arbeitet in Zusammenarbeit mit den Produzentennetzwerken, Fairtrade Organisationen und externen Experten kontinuierlich daran, die Standards sich verändernden Situationen vor Ort anzupassen und selbstkritisch und reflektiert die Wirkung von Fairtrade vor Ort in den Organisationen und darüber hinaus auszubauen.

     

    Fairtrade ist nicht das Allheilmittel für die Ungerechtigkeiten des weltweiten Handelssystems. Aber es ist ein Werkzeug, das Kleinbauern und Beschäftigten hilft, ihre Situation schrittweise zu stabilisieren und zu verbessern. Dies scheint in der aktuellen Diskussion vergessen zu werden.

     

    P.S. Die Gepa arbeitet weiterhin nach Fairtrade-Standards und lässt sich von FLO CERT zertifizieren. Lediglich deren Marketing hat entschieden, das eigene Firmenlogo in den Mittelpunkt seiner Kommunikation zu stellen.