piwik no script img

Fairphone geht in die ProduktionÜber 6.000 Bestellungen eingegangen

Der Pre-Order war erfolgreich, jetzt kann es losgehen mit der Herstellung des ersten fairen Handys. Doch die nächste Hürde steht schon bevor.

Zumindest optisch sind die Unterschiede zu anderen Smartphones gering. Bild: Fairphone

BERLIN taz | Am Ende haben sie ihr Ziel vorzeitig erreicht. 6.145 Bestellungen verzeichneten die Initiatoren des Fairphones am Freitag Mittag. 5.000 bis zur kommenden Woche hatten sie sich zum Ziel gesetzt, um mit der Produktion zu beginnen. Diese Grenze sollte sicherstellen, dass genug Geld für die Anzahlung zusammen kommt. Über den Sommer soll nun die Entwicklung abgeschlossen werden und im frühen Herbst die Auslieferung der weltweit ersten fair produzierten Mobiltelefone beginnen.

Die niederländische Fairphone-Initiative versteht sich nicht nur als Ideenfinder und Vertrieb des Geräts. Sondern auch als Bewegung. Denn Elektrogeräte sind meist alles andere als öko. So zeigte etwa das Umweltbundesamt (UBA) in einer Studie vom vergangenen Jahr gravierende Probleme beim Recyclingprozess von Notebooks auf.

Und die wären häufig vermeidbar: Nicht wechselbare Akkus, fest verbaute Komponenten wie den Arbeitsspeicher führen dazu, dass wertvolle Rohstoffe wie Kobalt nach dem Entsorgen einfach mit eingeschmolzen werden. „Häufig sind gerade die trendigen Produkte weniger ökologisch“, sagte damals Marina Köhn, Mitarbeiterin in der Beratungsstelle Green IT beim UBA.

Auch bei Smartphones geht der Trend in diese Richtung: So haben viele aktuelle Modelle einen Akku, den der Verbraucher nicht selbst herausnehmen kann. Das soll beim Fairphone anders sein: Das Gerät wird einen wechselbaren Akku bekommen, der einfach ersetzt werden kann, wenn der alte schwächelt. Durch das getrennte Recycling des Akkus lassen sich die Rohstoffe wiedergewinnen. Darüber hinaus hat das Gerät einen Slot für eine zweite SIM-Karte, was den Trend zum Zweittelefon bremsen soll. Ladekabel und Zubehör liegen erst gar nicht bei, um nicht noch mehr Teile zu produzieren, die später ungenutzt in der Schublade verschwinden.

Komplexe Lieferketten

Drei Jahre lang haben die Initiatoren Vorarbeit geleistet, die Herkunft von Materialien und ihre Auswirkungen auf die Umwelt geprüft, Lieferketten durchleuchtet und nach Kooperationspartnern gesucht. Das Ergebnis ist eine Zusammenarbeit mit Initiativen beispielsweise im Kongo, die garantieren sollen, dass mit dem Abbau von Rohstoffen keine bewaffneten Gruppen finanziert werden. Nach Angaben der Fairphone-Macher hat die Nachfrage nach solchen „konfliktfreien“ Rohstoffen bereits dazu geführt, das Einkommen der dortigen Minenarbeiter durch höhere Preise pro verkauftem Kilo zu verdoppeln.

„Das schwierigste an der Produktion eines fairen Mobiltelefons ist die Anzahl der Leute, die daran beteiligt sind“, sagt Tessa Wernink, Sprecherin der Initiative. Die Zuliefererketten seien sehr lang und sehr komplex. „Es handelt sich eben nicht um Kaffee oder Bananen.“ Die Initiative schließt nicht aus, auf lange Sicht auch andere Geräte, wie Tablets oder Notebooks auf den Markt zu bringen. „Aber erst einmal wollen wir daran arbeiten, das Fairphone weiter zu verbessern.“

Zunächst müssen die Unternehmer allerdings weitere 14.000 Kunden gewinnen, um nicht draufzahlen zu müssen. Denn im ersten Durchgang werden 20.000 Telefone produziert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • MM
    Max Mustermann

    Spätestes, wenn man den Dokumentarfilm "Apple Stories" von Rasmus Gerlach gesehen hat (ich hatte die Chance während des Dokumentarfilmfestivals 2013 in Hamburg), weiss, unter was für menschenunwürdigen Bedingungen Handys (aller Marken) produziert werden.

     

    Info's zum Film:

    http://presse.phoenix.de/dokumentationen/2013/02/20130223_Apple_Stories/20130223_Apple_Stories.phtml

     

    Trailer zum Film:

    http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=sZc-2rvt0uY

     

    Auf der Fairphone-Website wird bereits jetzt eingeräumt dass das erste Fairphone nicht 100%ig fair sein wird; und es ist ja auch noch gar nicht auf dem Markt. Ich hoffe, es wird in der taz (oder anderswo) einen Artikel darüber geben, wie "fair" die Geräte letzlich produziert werden konnten.

     

    @borkumriff

     

    Die Produktion eines Smartphone über Crowdfunding vorzufinanzieren, finde ich auch ungewöhnlich, aber als unseriös empfinde ich das nicht. Mehr dazu hier:

     

    http://www.fairphone.com/2013/05/24/crowdfunded-model/#more-2228

  • B
    borkumriff

    Bei aller Begeisterung für die Idee und die Technik.

    Wie seriös ist das ganze!!!??

    Es werden jetzt die Bestellungen angenommen und müssen schon jetzt bezahlt werden. Was ist wenn sich die Betreiber mit den 6 1/2 Millionen Euro absetzten?

    Oder nur defekte Geräte ausliefern können/wollen?

    Also ist das Phone bislang nur etwas für Zocker, oder lieg ich falsch?

  • C
    Cabrón

    Finde den Namen Fairphone auch irreführend; das Einzige, das bisher daran fair ist, ist die Geisteshaltung dahinter.

     

    Das selbstgesteckte Ziel, Lot aus konfilktfreiem Zinn bei dem auf der Web-Seite genannten chinesischen Hersteller verwenden zu lassen, ist auch nicht erreicht (siehe Roadmap zu Rohmaterialien). Alleine das Lot qualifizieren zu lassen könnte viele Monate dauern, und dann ist der Ausgang immer noch unklar.

     

    Was Bauteile betrifft, ist es unrealistisch zu glauben, ein Kleinkunde wie Fairphone könnte darauf Einfluss nehmen, aus welchen Quellen Rohmaterialien bei Komponentenherstellern verwendet werden.

     

    Grösste Hoffnung wäre, andere, wirklich grosse Marken nehmen sich daran ein Beispiel... bisher ist jedoch an diesem Gerät, wenn es denn mal gebaut wird, nichts fairer als bei anderen Handys.

     

    Nette Idee, gutes Marketing, das Leute hinter dem 'Fair'-Label hinterherrennen lässt.

  • J
    Jose

    Die Idee Fairphone ist gut. Das Marketing anscheinend auch, wenn solche Artikel in den Zeitungen sind. Leider ist nicht viel dahinter.

     

    Auf der Fairphone-Website kann man sehen, dass eigentlich nichts fair ist an dem Telefon und es sich nur in ganz wenigen Details von herkömmlichen Smartphones unterscheidet.

     

    Was ist besser am Fairphone?

    - Tantalum und Lötzinn aus konfliktfreien (ungleich fairen, Kinderarbeit ist also nicht ausgeschlossen sondern sogar wahrscheinlich) Quellen.

    - 3€ pro Telefon gehen an ein E-Waste Programm nach Ghana.

     

    Was fehlt zu fair?

    - Arbeitsbedingungen nicht nur in den eigenen Fabriken verbessern sondern in den Zulieferketten. Die eigenen Fabriken machen nur einen minimalen Bruchteil aus.

    - Andere Metalle aus fairen Quellen.

    - vieles mehr!!!

     

    Nichts gegen die Idee an sich und mir ist auch klar, dass das nicht von 0 auf 100 geht und die Zuliefererketten nahezu undurchschaubar sind. Aber dann darf das Teil nicht Fairphone heissen und so promotet werden.

  • O
    ole

    Okay, meine Mutter kann DAS auch nicht...

     

    Hier mal eine Anleitung (von 2012 /Galaxy S) für Neulinge, um die Sache verständlich zu machen:

     

    http://www.androidpit.de/de/android/forum/thread/452942/Der-Ultimative-Samsung-Galaxy-S-Flash-Guide-Erklaerungen-Tipps-und-Tricks-Stand-29-10

  • S
    Sozialismus

    = Planwirtschaft: "... Zunächst müssen die Unternehmer allerdings weitere 14.000 Kunden gewinnen, um nicht draufzahlen zu müssen. ..." (Zitat aus der Veröffentlichung in der taz)

  • O
    ole

    Krass!

     

    Ich stelle mir gerade eine Familie vor, in der zwei Kinder und zwei Elternteile aller zwei Jahre ein neues Teil "benötigen". Beim mittleren Apfel (S5/32) wären das ca. 3000 Dollar bzw. 1500 Steine pro Jahr.

     

    Die Leute sollten langsam zur Besinnung kommen!

  • J
    Jappie

    Die Bedenken von *Ernst* sind berechtigt.

    10 Jahre alte Hardware kann noch voll funktionstüchtig sein - wenn aber kein aktuelles (sprich: gepacht und bug-frei) Betriebssystem mehr für diese alte Hardware zu bekommen ist (da aktuelle Betriebssysteme - so z.B. auch Ubuntu - immer mit den Leistungs-Möglichkeiten aktueller Software schritthalten und dieses Resourcen zum Betrieb fordern) können auch keine aktuellen Anwendungen mehr installiert werden ... und die Hardware ist nutzlos - also indirekt kaputt. Die Webseite fairphone.com hält dazu auch keine klare Antwort bereit.

    Ansonsten ist der Ansatz von fairphone aber als Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen.

  • T
    taptap

    Wenn jetzt noch ein Zertifikat einer glaubwürdigen Einrichtung die Fairness und "Ökogüte" des Gerätes bestätigt, könnte ich meine Skepsis evl. abbauen.

  • A
    Alphabet

    @Ernst: Ein kurzer Blick auf die Website fairphone.com hätte die Frage nach dem OS des Geräts beantwortet. Das weisst du sicher selbst, aber wolltest hier mal etwas miesepetern, mit deinen Updateproblemen.

     

    Zum zweiten ist naheyu JEDES Mobiltelefon Updatefähig. Ich habe ein altes Sony Ericsson X10mini, das herstellerseitig bei Android 2.1. stehengeblieben ist, aber zum Glück kann man es routen und ein Android 4.2 z.B. von Cyanogen draufhauen: http://code.google.com/p/minicm/

     

    Wer sich nach dem Kauf seiner Hardware weiter an den Hersteller bindet ist, wie Heinz, ein Opfer des Kapitalismus :P

     

    Was das Fairphone betrifft, es IST schon geroutet, kommt mit einem aktuellen Android, wird aber OFFEN sein für weitere zukünftige Betriebsystem(e/updates), z.B.: Firefox OS, Ubuntu mobile und eben neue Androids. DAS ist auch Teil des Konzepts für ein FAIRES Phone (Fair zum Verbraucher.)

     

    Das lesen der Website hätte Erhellung gebracht.

    Schönes Wochenende noch, schlafen Sie weiter!

  • A
    Anonym

    @Ernst:

     

    Das Fairphone wird Android 4.2 (Jelly Bean) verwenden, mit einigen Anpassungen für das Fairhone. Später will man evtl. auf Firefox OS oder Ubuntu Phone umsteigen, die sich derzeit beide noch in der Entwicklung befinden.

     

    Es wird mit Root-Zugriff ausgeliefert, d.h. sie können auf das Telefon alles aufspielen, was sie wollen, so lange sie dazu technisch in der Lage sind.

     

    Siehe dazu auch das FAQ (englisch) auf der Fairphone-Seite, Kategorie Product, Frage 4.

  • R
    replicant

    @ernst:

    Wer immer die neuesten Apps braucht, aber ein "altes" Smartphone hat, sollte sich Cyanogenmod mal ansehen. Ich hab bei mir die 10er version auf ein altes Galaxy gemacht und bin sehr zufrieden. Da mir Freiheit auch als Gefangener (Smartphoneuser) etwas bedeutet, hatte ich auch Replicant (freie Gerätetreiber) ausprobiert, hatte aber da einen hohen Akkuverbrauch und es fehlten Funktionen wie Videokamera. Langfristig ist es aber anvisiert, wieder Replicant zu nutzen, weil ich es bevorzuge, selbst zu bestimmen, was mein Telefon gerade macht. cyanogenmod ist übrigens wie ein android 4, und Updates werden immer für alle Geräte angeboten.

  • E
    Ernst

    Und was hat das Ding für eine Software, wenn ich mir alle zwe Jahre ein neue Teil kaufen muss, weil die Software meines Mobiltelefons zu alt für neue Apps und nicht updatebar ist, dann bringt das alles wenig!

  • W
    Waifu

    Save the planet for only 325€!