Fahrradsternfahrt geht doch über die A 100: Die Autobahn den Radlern
Fahrraddemo ADFC klagt mit Erfolg. Die Fahrradsternfahrt kann am Sonntag doch über die A 100 rollen. Die Polizei bleibt uneinsichtig, akzeptiert den Beschluss aber.
Die 33. Fahrradsternfahrt am Sonntag beginnt an mehr als 70 Treffpunkten in und um Berlin. Die Teilnehmer fahren auf 18 Routen ins Zentrum und treffen 14 Uhr am Großen Stern ein.
Erstmals gibt es eine Kinderroute. Start ist um 12.30 Uhr am S + U-Bahnhof Jannowitzbrücke. Bei einem Tempo von 6 km/h können auch Tretrollerfahrer mithalten.
Bei der Rennradroute ab Frankfurt (Oder) wird mit durchschnittlich 25 km/h gefahren.
Tagsüber veranstaltet die Grüne Liga ein Umweltfestival am Brandenburger Tor. Motto: "Klimaschutz erleben". Ökologische Erlebnismeile mit 200 Ausstellern.
Tradition hat Vorrang. Das Berliner Verwaltungsgericht hat für die Fahrrad- und gegen die Autofahrer entschieden - wenigstens für einen Tag. Die Sternfahrt darf am Sonntag also wie gewohnt über den Berliner Südring zwischen Buschkrugallee und Alboinstraße führen. Das hatte die Polizei zuvor verboten, weil sie ein Verkehrschaos befürchtete (taz berichtete). Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Berlin (ADFC) hatte dagegen beim Verwaltungsgericht Widerspruch eingelegt - und jetzt Recht bekommen.
Das fragliche Autobahnstück sei bereits seit 1999 in die jährliche Sternfahrt einbezogen gewesen, "sodass sich hier eine gewisse Tradition gebildet habe", heißt es in der Begründung des Gerichts. Weitere Argumente des Polizeipräsidenten wies die Kammer als rein spekulativ zurück. So könne nach Ansicht der Kammer durchaus nur eine Richtungsfahrbahn gesperrt werden. Weder müsse damit gerechnet werden, dass die Fahrradfahrer auf die Gegenseite gelangen, noch dass sie mit Gegenständen auf den entgegenkommenden Autoverkehr werfen. "Das ist nicht andeutungsweise durch konkrete Anhaltspunkte abgesichert", erklärte das Gericht.
Die Polizei sperrt den Südring am Sonntagmittag dennoch in beide Richtungen und zeigt sich auch ansonsten uneinsichtig. "Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es den Kfz-Führern nicht zuzumuten ist, dass derart wichtige Verkehrswege gesperrt werden", sagte Polizeisprecherin Kerstin Hößelbarth der taz. Auf Rechtsmittel werde ihre Behörde allerdings verzichten. Planungssicherheit gehe vor.
Die Organisatoren der Fahrraddemo sind erleichtert. "Es war für uns ganz wichtig, dass wir über den Südring fahren", sagte David Greve, Landesgeschäftsführer des ADFC. Gerade die A 100 sei ein Symbol dafür, wie viel Geld in den Autoverkehr gesteckt werde und wie wenig in die Infrastruktur für Fahrradfahrer. Sarah Stark, ADFC-Landesvorsitzende, hofft, dass der Richterspruch als "Signal auch in der Politik wahrgenommen und den Belangen der Radfahrer endlich mehr Raum eingeräumt wird".
Auch die Berliner Grünen freuen sich über das Urteil. "Eine Autobahn am Sonntag wegen angeblich zu viel Verkehr nicht sperren zu wollen - darauf muss man erst mal kommen", sagte Michael Cramer, Europaabgeordner der Grünen. Seine Partei werde die Fahrraddemo mit dem Protest gegen die geplante Verlängerung der A 100 verbinden.
Eine Schlappe musste nicht nur die Berliner Polizei, sondern auch das vermeintliche Sprachrohr aller Autofahrer einstecken. Der ADAC forderte noch vor der Urteilsverkündung, die A 100 und die Durchgangsstraßen in Berlin für den Kfz-Verkehr am Sonntag freizuhalten. Gleichzeitig stichelten die Autolobbyisten gegen Radfahrer. "Es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, ob das Fahrrad nicht mit Kraftfahrzeugen gleichgestellt werden sollte - auch in finanzieller Hinsicht", sagte Jörg Becker vom ADAC Berlin-Brandenburg der taz. Immerhin beteiligten sich Autofahrer durch die Kfz-Steuer am Ausbau der Infrastruktur, Fahrradfahrer täten das nicht. Konkrete Ideen zur Umsetzung dieses Vorschlags nannte der ADAC am Freitag jedoch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht