Fahndung per Dopingdatenbank: Den "Dirty 50" auf der Spur
Die ersten Radsportler werden wegen auffälliger Blutwerte aus dem Verkehr gezogen. Ob das juristisch haltbar ist, muss sich noch erweisen.
BERLIN taz | Die Dopingjäger haben sich professionalisiert. Statt Hobbyanglern, die ihre Rute in x-beliebige Gewässer halten, weil dort nach statistischer Wahrscheinlichkeit ein Fisch zu fangen ist, legen sie jetzt ihre Netze an gut ausgesuchten Stellen aus. Zwar holen sie noch nicht ganze Schwärme dopingverseuchter Spitzensportler aus ihren Fanggründen, aber immerhin ist der eine oder andere kapitale Brocken dabei. Nach der Cera-Serie in der letzten Saison werden jetzt mit Hilfe des Blutpass-Programms des Internationalen Radsportverbandes UCI verdächtige Sportler eingekreist und dank verbesserter Analytik auch überführt.
Fünf Profis, unter ihnen Ex-Weltmeister Igor Astarloa, wurden Mitte Juni aus dem Wettkampfbetrieb genommen, weil ihre Blutprofile verdächtige Schwankungen aufwiesen. Drei Tage vor dem Start der Tour de France ist das holländische Rundfahrt-Talent Thomas Dekker aufgeflogen. "Ungewöhnliche Blutwerte haben uns zu einer Nachanalyse alter Proben veranlasst", gab die UCI bekannt. Bei einem Test aus dem Dezember 2007 wurde jetzt das Kölner Antidoping-Labor fündig und wies Spuren von Dynepo nach. Mit diesem Epo-Derivat hatte im gleichen Jahr der damalige Teamkollege bei Rabobank, Michael Rasmussen, seine beeindruckende Performance bei der Tour ermöglicht. Dekker, inzwischen vom Team des Tourmitfavoriten Cadel Evans als Edelhelfer verpflichtet, ist als konstanter Doper auch über den Rennstallwechsel hinaus enttarnt. Bei Rabobank hat er mindestens Dynepo genommen, bei Silence-Lotto waren seine Werte so dubios, dass er auf die Fahndungsliste der UCI geriet.
Die hält weitere 50 Sportler für besonders beobachtungswürdig. Wer dies genau ist, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Die französische Sportzeitung L´Équipe berichtet von vier bis sieben Fahrern, bei denen zielgerichtete Nachkontrollen zu positiven Ergebnissen geführt hätten. Sie sind dem Kreis der 50 zuzuordnen. Ein Großteil der über 500 Dopingkontrollen während der Tour wird nach Ankündigung von UCI-Präsident Pat McQuaid diesen "Dirty 50" gewidmet sein.
Das anfangs euphorisch gefeierte, später wegen ausbleibender Ergebnisse kritisch beäugte Datensammeln der Bio-Informatiker aus Lausanne lohnt sich mittlerweile. Fraglich ist allerdings, welchen juristischen Wert Sperren wegen verdächtiger Werte haben. Das höchste Sportgericht CAS hatte dem Russen Wladimir Gussew, der von Team Astana wegen auffälliger Werte entlassen worden war, Anspruch auf fortlaufende Gehaltszahlungen zuerkannt. Im Antidoping-Feld reicht professionelles Fischen allein nicht aus. Der Netzeleger braucht auch noch einen Gutachter, der erklärt, ob ein mit Augenschein gut erkennbarer Fisch auch juristisch ein solcher ist. Juristisch sicher ist das Klassement dieser Tour übrigens erst im Jahr 2017. Acht Jahre lang dürfen Antidoping-Agenturen alte Proben analysieren.
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