Fälschungsskandal bei Berliner CDU: Ein ganz neuer Abgrund
Das war die Woche in Berlin I: Im CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf wurden im Kampf um die örtliche Bundestagskandidatur Stimmzetteln gefälscht.
Absprachen – geschenkt. Lügen – altbekannt. Ja, sogar Unter-Druck-Setzen wäre nichts Neues, weder bei der CDU und bei den meisten anderen Parteien auch nicht. Fälschung von Stimmzetteln aber, wie sie am Dienstag im CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf bekannt geworden sind, das ist ein ganz neuer Grad an Abgründigkeit.
Ob es jetzt Urkundenfälschung im strafrechtlichen Sinn ist oder moralisch verwerfliche Trickserei im Kampf um die örtliche CDU-Bundestagskandidatur: Es ist so, dass man es weder dem unter Verdacht stehenden Abgeordneten Karl-Georg Wellmann noch seinem Herausforderer Thomas Heilmann – den Wellmann im Gegenzug beschuldigt – zutrauen mag.
So etwas schien nur in der Serienwelt von „House of Cards“ zu Hause zu sein, dem britischen BBC-Original wie der noch zynischer daherkommenden US-Politserie mit Kevin Spacey. Zu abstrus ist die Vorstellung, ein 64-jähriger gut situierter Rechtsanwalt und langjähriger Bundestagsabgeordneter könnte zum Fälscher werden, Ruf und komplette Lebensleistung riskieren, nur um weitere vier Jahre im Parlament zu bleiben. Noch weniger mag man Heilmann eine Intrige unterstellen, auch wenn manchem seine Darstellung als alleiniger Erneuerer und Entfilzer der Berliner CDU zu selbstherrlich erscheinen könnte.
Fakt ist aber, dass irgendwer diese 350 Stimmzettel gefälscht und in die CDU-Geschäftsstelle geschickt haben muss – sonst wären sie ja nie aufgetaucht. Sie liegen ja vor, sie wurden ja sogar von der ermittelnden CDU-Kommission semikriminalistisch auf Fingerabdrücke untersucht.
Fast wie in „House of Cards“
Am tröstlichsten wäre noch diese Vorstellung: Irgendein ein subalterner Mitarbeiter hätte das Ganze in Eigeninitiative auf den Weg gebracht, in dem ungesunden Verlangen, seinem Chef selbst mit illegalen Mitteln zu helfen – vielleicht aus reiner Begeisterung, vielleicht ganz nüchtern nur, um den eigenen Job zu sichern. So nach dem Motto: Der Chef ist für so etwas ein zu guter Mensch, da muss ich mir die Finger dreckig machen.
Doch zum einen geht es hier nicht um unüberschaubar große Mitarbeiterstäbe. Und zum anderen lehrt „House of Cards“: So laufen die Dinge nur, wenn der Mitarbeiter ganz genau weiß, mit der Drecksarbeit im Sinne des Chefs zu handeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!