: Fährt Reuter morgen VW?
■ Daimler-Vorstand verweigert Ex-Chef eine Ehrenerklärung. Er soll den Aufsichtsrat verlassen.
Stuttgart (taz) – Die Demontage von Edzard Reuter kommt in die heiße Phase. Wie die taz aus Vorstandskreisen in Stuttgart erfuhr, soll der Ex-Chef der Daimler- Benz AG seinen Posten im Präsidium des Aufsichtsrats „in naher Zukunft“ aufgeben. Reuter müßte dazu seinen Rücktritt erklären, weil ihn offiziell nur die Aktionäre abwählen können. Die derzeitigen Daimler-Vorstandsmitglieder haben es darüber hinaus abgelehnt, eine Ehrenerklärung zugunsten Edzard Reuters abzugeben. Um die hatte er gebeten, nachdem er in einem „Dossier“ des ehemaligen Finanzvorstands Gerhard Liener scharf angegriffen worden war.
Liener hatte dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden im manager magazin menschliches und wirtschaftliches Versagen vorgeworfen. Unter dessen Führung habe der Konzern enormen Schaden erlitten, weil Reuter „die Beziehung zur Realität verloren“ habe. Lieners Vorwürfe haben im Daimler-Vorstand vor allem wegen ihrer Form für Verstimmung gesorgt – die öffentliche Darstellung von Fehlentscheidungen ist in diesen Kreisen unüblich. Inhaltlich stimmten die meisten Vorständler mit Liener überein. Beim Kauf des Flugzeug- und Rüstungsunternehmens Dornier sei Reuter verantwortlich gewesen für „den miserabelsten Vertrag, den wir jemals geschlossen haben“, erboste sich Liener. Seit zehn Jahren kassieren die Erben des Firmengründers Dornier dadurch eine garantierte Dividende, obwohl das Unternehmen Verluste macht.
Nach der Veröffentlichung im manager magazin wurde der Beratervertrag Lieners fristlos gekündigt. Für den hatte man ihm nach der Kündigung seines Vorstandsvertrags zum 25. Mai 1995 jährlich rund 1,5 Millionen Mark Honorar zugesagt, sozusagen als Schmerzensgeld für seine Entmachtung. Der Beratervertrag wurde auf zwei Jahre geschlossen. Auch die erneute Kündigung kann Liener schmerzfrei verkraften. Wie ebenfalls aus der Unternehmensführung bekannt wurde, soll Liener die drei Millionen Mark, die ihm zugesichert worden waren, nun auf einen Schlag ausgezahlt bekommen. Als Gegenleistung sicherte Liener zu, nicht gegen die Kündigung zu klagen.
Liener stellt sich – ebenso wie Reuter – als Förderer des heutigen Daimler-Chefs Jürgen Schrempp dar. Er habe ihn als jungen Kundendienst-Ingenieur in Südafrika entdeckt. Nur durch seine Karrieretips und die Fürsprache bei Reuter sei Schrempp zum Vorstand aufgestiegen, so Liener. Darüber, wer der wahre Schrempp-Entdecker ist, können sich Liener und Reuter bald in aller Ruhe in Lieners Ferienhaus am Tegernsee streiten. Matthias Mantzen
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