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Facette eines Mosaiks-betr.: Pipi Langstrumpf, adieu", taz vom 17.12.90

betr.: Pipi Langstrumpf, adieu“ von Ina Hartwig, taz vom 17.12.90

Zunächst einmal möchte ich Frau Hartwig in ihrer Beschreibung der Pipi Langstrumpfs zustimmen. Die Kritik muß jedoch an ihrer unreflektierten und somit unkritischen Rezeption von Neil Postmans Buch Das Verschinden der Kindheit ansetzen. Sie stimmt seiner These zu, daß die Welt der Kinder sich heute kaum noch von der Erwachsenenwelt unterscheidet, im Gegensatz zu früher. Und mit früher meint Postman vor allem die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und da stellt sich die Frage: Für welche Kinder sah ihr Dasein anders aus als das der Erwachsenen? Doch nur für die Kinder des (Bildungs-)Bürgertums und der anderen oberen Schichten. Ja, für diese Kinder gab es das Geheimnis des Alphabets und der Sexualität, der Arbeit und des Wissens! Aber diese Kinder waren doch nur eine Minderheit.

Wie sah es denn bei Arbeiter- und Bauernkindern, sogar bei Kindern aus dem Kleinbürgertum aus? Wenn drei Generationen gezwungen waren, in einem, höchstens zwei Zimmern zu leben, wie kann es da ein „Geheimnis der Sexualität“ gegeben haben? Wenn Kinder ab dem Alter von vier Jahren gezwungen waren, zu arbeiten, war da „Arbeit“ ein Geheimnis? Mit dem Alphabet und dem Wissen verhielt es sich anders: Die Analphabetenquote war in diesen Schichten hoch, und Wissen konnte (dadurch) erst recht nicht erworben werden. Postman stützt sich bei seinen Thesen auf Artefakte, die mehr seinem Wunschdenken als der Realität entsprechen. [...]

Und schließlich: das angeblich „erwachsene“ Verhalten von zehnjährigen Mädchen in einer West- Berliner U-Bahn ist noch kein Beweis für die Stimmigkeit so einer Behauptung. Denn: Einzelfälle stellen noch lange kein korrektes Bild der Realität dar. Sie sind nur Facette eines Mosaiks. Sigmount Königsberg, Berlin

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