Facebook kauft „Ctrl-Labs“: Endlich Cyborgs!

Mit der Hardware von Ctrl-Labs lassen sich Computer durch Gedanken kontrollieren. Das bietet viele Chancen – die nun Facebook nutzen will.

Junge sitzt mit Händen am Kopf vor einem Laptop: Darauf ist Facebook geöffnet

Einloggen bei Facebook nur durch Gedankenkraft: Ist das bald möglich? Foto: dpa

Die gute Nachricht zuerst: Facebook hat mit dem Erwerb der Firma Ctrl-Labs keinen Schlüssel für die Tür direkt in unsere Gehirne gekauft. Ctrl-Labs entwickelt Hardware, die es ermöglichen soll, Geräte „nur mit Gedanken zu kontrollieren“. Ein bislang noch etwas klobig wirkendes Armband mit vielen Elektroden, liest dabei jedoch nicht die Gedanken selbst, sondern misst die in ihrer Folge entstehenden elektrischen Signale, zum Beispiel Kommandos an Finger, bestimmte Buchstaben auf einer Tastatur anzutippen. Das Potenzial einer solchen Technologie ist gewaltig, auch wenn sie nicht das Innerste des Menschen auslesen kann.

Die uns alltäglich begleitenden digitalen Geräte sind in der Lage, in kürzester Zeit eine schier unendlich scheinende Zahl an Rechenoperationen auszuführen. Auch das menschliche Gehirn operiert deutlich schneller, als Finger jemals tippen könnten. Das Interface, also Maus, Tastatur, Touchscreen und dergleichen, ist der Flaschenhals, der die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine erheblich verlangsamt. Auch der atemberaubende Wirbelwind, den Teenager mit den Händen auf ihren Smartphones erzeugen, ist nichts gegen den, der in ihren Köpfen stattfindet.

Unsere Fähigkeiten für Wahrnehmung und Verarbeitung von Information in Kombination mit dem Leistungspotenzial von Computern werden also durch unsere eigene Motorik merklich gebremst. Das Interface direkter zu gestalten, ist eine nur logische Fortentwicklung der Computertechnik. Menschliche Hände konnten wegen ihrer Langsamkeit als sinnvolle Überträger menschlicher Befehle an Maschinen ohnehin nur eine Zwischenlösung sein. Selbst Lösungsansätze wie Sprachsteuerung würden von einem zuverlässig funktionsfähigen und für den Massenmarkt tauglichen Armband wie dem von Ctrl-Labs weit in den Schatten gestellt.

Die Anwendungsmöglichkeiten wären praktisch unbegrenzt. Militärisch ist der Nutzen einer Technologie, die die Lücke zwischen Entscheidung und Ausführung von Befehlen verkleinert, selbsterklärend. Gleiches gilt aber auch für jede nur denkbare zivile Anwendung.

Das menschliche Gehirn operiert deutlich schneller, als Finger jemals tippen könnten

Wie schnell könnten Texte geschrieben, Tabellen befüllt, könnte eine Auswahl getroffen werden? Die erste Gamerin mit einem von ihren sichtbaren physischen Funktionen unabhängigen Interface wäre allen anderen um ein Vielfaches überlegen. Menschen mit selbst schwersten körperlichen Beeinträchtigungen könnten Kommunikation und Teilhabe deutlich vereinfacht werden, solange ihr Gehirn nur messbare Impulse aussendet, egal, ob Hände, Beine oder Zunge ihnen gehorchen.

Jetzt die schlechte Nachricht

Ein engeres Zusammenwachsen zwischen Mensch und Maschine selbst ohne Scifi-Cyborg-Implantate erweitert also die Möglichkeit für ein selbstbestimmteres und produktiveres Leben. Und jetzt die schlechte Nachricht: Facebook hat mit Ctrl-Labs ein in dieser Technologie weit fortgeschrittenes Unternehmen gekauft.

Wie so oft, resultierte somit ein über öffentliche Förderung der Grundlagenforschung entstandenes Konzept – die Firmengründer waren an der Columbia University tätig – in monetarisierbaren Patenten, deren Profite am Ende in private Taschen fließen. Der Kaufpreis für Ctrl-Labs wird auf eine Milliarde US-Dollar geschätzt.

Facebooks Interesse in diesem Spiel ist klar. Der Konzern will die Nutzung seiner Plattformen so einfach und intuitiv wie möglich machen. Ist der Flaschenhals des Mensch-Maschine-Interfaces erst einmal verbreitert, können wir ohne weiteren Zeitverlust noch mehr Posts, Messages und Bilder verschicken. Die sind es schließlich, die in ihrer Summe alles über uns preisgeben und uns zu einem so lohnenswerten Produkt für Datensammler wie Facebook machen.

Mark Zuckerberg benötigt gar keinen Schlüssel für die Tür zu unseren Gehirnen, denn den liefern wir selber. Das geschieht ganz freiwillig, jeden Tag aufs Neue – und in Zukunft dann noch schneller. Die Rechenzentren warten auf Futter.

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