FUßBALL: Arbeit statt Ästhetik
Nach dem 3:0-Erfolg im Finale der Copa América gegen Argentinien darf Brasiliens Trainer Dunga seine Edelkicker weiter Fußball malochen lassen
BUENOS AIRES taz Roberto Ayala hatte wieder Scheiße am Schuh. Im WM-Viertelfinale hatte der Argentinier seinen Elfmeter in die Arme von Torwart Jens Lehmann geschossen. Am Sonntagabend grätschte er im Endspiel der Copa América den Ball am Keeper vorbei. Diesmal aber ausgerechnet am eigenen. Brasilien hat das Finale der Copa América gegen Argentinien mit 3:0 gewonnen.
Die "Seleção" war in der 3. Minute durch ein wunderschönes Tor von Julio Baptista in Führung gegangen. In Minute 39 folgte Ayalas Eigentor und mit einem Konter stellte Daniel Alves in der 69. den 3:0-Endstand für Brasilien her. Brasilien verteidigte damit den Titel beim seit 1916 ausgetragenen ältesten Fußballturnier der Welt erfolgreich. Wie schon 2004 gewannen die Brasilianer das Endspiel gegen Argentinien und verlängerten ihre Serie auf stolze drei hintereinander gewonnene Trophäen. Rekordhalter bei der Copa América bleiben Argentinien und Uruguay mit jeweils 14 Titeln, für Brasilien war es der achte Titel insgesamt.
14 lange Jahre liegt damit der letzte große internationale Turniersieg der Argentinier zurück. Und am Río de la Plata träumten die Menschen bereits vom Titel. Zu Recht. Kein Team hatte bei der Copa 2007 so überzeugend gespielt. Bis zum Finale alle Spiele gewonnen, 16 Tore geschossen, nur 3 kassiert. Zudem spielte Argentinien nicht nur effizient, sondern auch einen so ästhetischen Fußball, dass selbst Brasiliens Legende Pelé von einem Sieg der "Albicieste" ausging.
Es kam anders. Argentiniens Abwehr hatte ungewohnte Lücken und die Genialität im Mittelfeld schlug in Ratlosigkeit um. Dabei war es über weite Strecken ein hochklassiges Spiel mit viel Tempo und Chancen auf beiden Seiten. Riquelme traf in der 10. Minute nur den Pfosten. Doch den Brasilianern spielte die frühe Führung und ihr enger Deckungsverband in die Karten. "Das Führungstor des Gegners in der 3. Minute hat uns getötet", klagte denn auch Juan Verón. Dementsprechend angefressen war Trainer Alfio Basile, der seine erste Niederlage in der 19. Copa-Begegnung verschmerzen musste. Er verschwand nach dem Abpfiff in der Kabine und kam nicht zur Pressekonferenz.
Für Argentinien ist es die dritte Endspielniederlage gegen Brasilien in Folge. Nach 2004 in Peru hatte man auch 2005 im Confed-Cup mit 4:1 das Finale vergeigt. "Argentinien erlebte einen Albtraum", diagnostizierten erste Schlagzeilen in Buenos Aires: "Eine Niederlage, die in der Seele schmerzt." Wo die Porteños nach großen Siegen hinströmen, rührte sich diesmal nichts: Keine Hupkonzerte auf der Avenida 9 de Julio, keine hellblau-weißes Fahnen um den Obelisken. Nur "endlose Traurigkeit".
Umgekehrt bei Brasilien. Mit einer Auftaktniederlage gestartet, steht die Truppe von Trainer Carlos Dunga am Ende ganz oben. "Das Land ist zufrieden, wir haben dem brasilianischen Fußball sein Selbstwertgefühl zurückgegeben", so Dunga. Seit Juli 2006 trainiert er die "Seleção", mit der er 1994 als Spieler Weltmeister wurde. Dunga hat den brasilianischen Ballzauber der Disziplin unterworfen und wurde dafür hart angegangen. Von seiner Ablösung war sogar schon die Rede. "Das Einzige, was zählt, ist das Ergebnis." Unter Dunga wird Fußball geschuftet: "Jeder Spieler ist ein brasilianischer Arbeiter."
Diese Arbeiter haben sich im Laufe des Turniers gesteigert und standen im Finale vor allem kompakt. Aggressiv und konsequent attackierten die Brasilianer weit vor dem eigenen Strafraum jeden argentinischen Ballbesitz. Nicht bösartig, aber oft mit kleinen Fouls wurde ein Durchkommen verhindert. Jede Nicklichkeit wurde vom Schiri gepfiffen. Doch zu weit waren die Freistoßentfernungen für einen Direktschuss von Riquelme und zu überlegen die brasilianische Abwehr bei hohen Bällen, als dass die Argentinier ein Tor hätten machen können.
Was bleibt, sind Trauer und eine Drohung: Roberto Ayala wird seine Schuhe putzen und die argentinische Fußballseele wird ihre Trauerarbeit verrichten. Carlos Dunga aber wird vorerst mit seinen Spielern in Ruhe weiter so Fußball arbeiten können, wie er sich das vorstellt. An seine urlaubenden Schönspieler Kaka und Ronaldinho sendet er einen Gruß: "Beide müssen sich ihre Plätze zurückerkämpfen. Wie könnte ich einen Spieler, der hierherkommt und gut spielt, aus dem Team nehmen?" Keine guten Aussichten für Ästheten.
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