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herr tietz macht einen weiten einwurfFRITZ TIETZ guckt mit seiner Tochter (8) Formel 1

Der dritte Schumacher

Wenn man der achtjährigen Tochter erlaubt, gemeinsam mit dem Vati ein Formel-1-Rennen auf RTL zu gucken, muss man mit Fragen rechnen, wie sie so bisher sicher selten gestellt, geschweige denn beantwortet wurden. So ist es jedenfalls mir letztens widerfahren, während der TV-Übertragung nämlich des Großen Preis (GP) von Europa, als ich mich mitten in der Einführungsrunde plötzlich mit folgenden zwei Tochter-Fragen konfrontiert sah: warum denn die Formel 1 eigentlich Formel 1 hieße, wo doch der Start immer erst um zwei sei. Und ob es gleich wieder ein paar tolle Unfälle gebe.

Frage zwo entschloss ich mich ich aus pädagogischen Gründen mit einer Lüge zu meistern, glaube mich dabei sogar annähernd exakt jener Phrase bedient zu haben, die in jeder Formel-1-Reportage sehr verlässlich zum Einsatz kommt: „Wir wollen mal hoffen, dass alles gut geht und es zu keinen schweren Unfällen kommt“; gedacht habe ich, ist klar, genau das Gegenteil. Die Antwort auf Frage eins fiel mir nicht so leicht: „Naja, das heißt Formel 1, weil in der Formel 1 nur die schnellsten Rennwagen fahren dürfen ...“ – „Ach so, und die zweitschnellsten dürfen dann nur in der Formel 2“, erwies sich die Tochter als erfreulich helle, worauf ich „Genau!“ sagte, obwohl ich keine Ahnung habe, ob’s eine Formel 2 überhaupt gibt. Ich nahm mir vor, gelegentlich meinen Redakteur zu fragen oder aber, auch wenn’s schwer fällt, häufiger Deutsches Sportfernsehen (DSF) zu gucken. Vorausgesetzt nämlich, es gibt Formel-2-Rennen, dann zeigen sie die da. Schließlich zeigen die da auch Rennen, in denen ungetüme Off-Roader mit riesigen Reifen dran herumbrettern. Genau genommen zeigen die da, so jedenfalls der, beim Durchzappen gewonnene Eindruck, nur so was. Sind das womöglich Formel-2-Rennen?

Aber zurück zur Formel 1 und deren TV-Berichterstattung, die ja beileibe nicht erst mit dem Start beginnt. Beim GP von Europa neulich habe ich mich erstmals in meiner Formel-1-Zuschauerkarriere bereits kurz nach dreizehn Uhr bei RTL zugeschaltet und kam so auch einmal in den Genuss einer Vor-dem-Rennen-Berichterstattung. Das war allerdings nur möglich, weil ich bewusst vorausplanend und -kochend dafür gesorgt hatte, dass das Mittagessen bereits um halb eins auf dem Tisch stand. Normalerweise essen wir später. Nicht selten habe ich deswegen an Renntagen meinen Teller zwischenzeitlich stehen lassen müssen, um nicht die erhofften Startunfälle zu verpassen. In der ersten Werbepause bin ich dann an den Mittagstisch zurück, um schnell den Rest auf- bzw. (und falls im Angebot) auch noch den Nachtisch zu essen. Ein Problem, das sicher viele rennsportbegeisterte Familien haben und das sich die Verantwortlichen von Formel 1 und RTL einmal vergegenwärtigen sollten. Wenn der Start zum Beispiel erst um halb drei erfolgte, wäre mir schon sehr geholfen.

So käme ich sicher auch häufiger in den Genuss solcher TV-Höhepunkte, wie sich einer neulich in RTL zutrug, als der einmalige Kai Ebel vor dem Start ein Interview mit den Box-Gebrüdern Klitschko führte. Welchen Tipp sie denn als boxende Geschwister für die gegeneinander rennfahrenden Schumacher-Brüder hätten, wollte Boxen-, oder wie man in diesem Fall wohl eher sagen muss, Boxerluder Ebel wissen. Die Antwort darauf, von Wladimir Klitschko im breiten Russlanddeutsch vorgetragen, lautete so: „Auf jeden Fall, jädar wünscht zimmlich vill Gluck. Und es kommt fürnander. Und es kommt darrauf an von ditzo, also der Jungere lässt den Ältere vorne oder umgekehrt. Es kommt darauf an, von ditzo Situation und äh, es gibt serr vill Kuenkwerrenz da hinten, desweggen sie musse schon aufpasse, dass nicht jemmand noch dritte nach vorne kommt.“

Jemand noch dritte? Gibt’s da etwa noch einen Schumacher-Bruder? Keine weiteren Fragen.

Autorenhinweis:Fritz Tietz, 42, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

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