FLUGHAFEN: Propheten bezeugen das Debakel
Der Untersuchungsausschuss zum Flughafen geht weit zurück in der Zeit und entdeckt, dass schon damals so einiges im Argen liegt. Und dass man schon in den 90ern auf eine Eröffnung im Jahr 2015 hoffte.
Die beiden Sätze über das Flughafen-Management stammen vom November 1995, doch sie besitzen unverkennbare Aktualität: „Die laufende Kontrolle der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat muss erheblich verbessert werden, zu lange hat der Aufsichtsrat hingenommen, dass ihm nur verkürzte Informationen zur Verfügung gestellt werden. Erkannte Missstände müssen zügiger in Angriff genommen werden.“
So steht es in einem Vermerk des damaligen Referenten in der Senatskanzlei, Alexander Straßmeir (CDU), inzwischen Staatssekretär der Senatsverwaltung für Justiz. Über seine bis 1996 währende Zuständigkeit für Flughafenfragen sagte er am Freitag als erster Zeuge vor dem Flughafen-Untersuchungsausschuss aus. Die Sitzung war eine Reise in die Vergangenheit: zurück zur Kontroverse über den Flughafenstandort, an deren Ende sich Berlin, Brandenburg und der Bund 1996 auf Schönefeld und nicht auf den alten Militärflugplatz Sperenberg festlegten.
Dabei tragen Straßmeirs damalige Einlassungen noch an anderer Stelle prophetische Züge: Eine „Verdopplung bis Vervierfachung der Kosten“ für den Flughafenbau sei möglich, das zeigten Erfahrungen mit vergleichbaren Projekten, schrieb er 1995.
Ähnlich hellseherisch liest sich, was der einstige SPD-Fraktionschef, Senator und Flughafen-Aufsichtsrat Klaus Böger Mitte der Neunziger in ein Positionspapier zu den Planungen schrieb: „Bis zum Jahr 2015“ müsse der neue Flughafen vollständig fertiggestellt sein. Völlig ausgeschlossen ist die Erfüllung dieser Vorgabe heute nicht.
Zwar nannte es Böger „gefährlich“, Aussagen von vor knapp 20 Jahren vor dem Hintergrund des heutigen Planungsdesasters zu bewerten. Doch die Gültigkeit einer anderen Aussage von einst konnte auch er nicht bestreiten: „Die Politik baut Gott sei Dank selbst keinen Flughafen“, so Böger 1998. Die Ausführung der Pläne sei in privater Hand weitaus besser aufgehoben. Da würde kaum mehr jemand widersprechen. Trotzdem herrscht unter den Ausschussmitgliedern hinter vorgehaltender Hand Unsicherheit, inwieweit es sinnvoll sei, so weit in die Vergangenheit zurück zu gehen. Bis zur nächsten Sitzung wollen die Fraktionen gemeinsam beraten, wie sie die Hintergründe der jüngsten Absage des Eröffnungstermins einbeziehen können.
Andere aktuelle Entwicklungen stehen schon im Untersuchungsauftrag: die Kontroverse um die Flugrouten. Fluglärmgegener wollen am Samstag in Berlin demonstrieren, die EU erwägt ein Vertragsverletzungsverfahren wegen womöglich unzureichender Überprüfung der Umweltverträglichkeit. Dazu gab es am Freitag keine neuen Erkenntnisse. „Im Aufsichsrat hieß es immer, dass beim Lärmschutz auf Recht und Gesetz geachtet werde“, sagte Böger.
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