FELIX LEE POLITIK VON UNTEN : Ökologie versus Ökonomie
IN DER FINANZKRISE BRICHT DER ALTE KONFLIKT AUS ANFANGSZEITEN DER UMWELTBEWEGUNG WIEDER AUF
Die einstige Galionsfigur der GlobalisierungskritikerInnen von Attac, Sven Giegold, inzwischen Grünen-Kandidat bei den Wahlen fürs Europaparlament, hat mal gesagt: „Ohne social peace gibt es auch keinen green peace.“ 2003 war das, beim ersten McPlanet, dem Kongress, der die Globalisierungskritiker von Attac mit den Umweltverbänden zusammenbringen sollte.
Giegolds damalige Absicht: Er wollte die etablierten Umweltverbände wieder stärker an Bewegungen anbinden und für ökonomische und soziale Themen sensibilisieren. Durchaus mit Erfolg: Nach Jahren weitgehender Demo-Abstinenz tauchten auch auf Sozialprotesten wieder Fahnen von Greenpeace oder BUND auf.
Anlässlich des 4. McPlanet-Kongresses, der am nächsten Wochenende in Berlin stattfindet, müsste der Appell umgekehrt werden: Ohne green peace auch kein social peace. Zwar mahnen selbst Ökonomen, dass der Klimawandel schlimmere Auswirkungen haben wird als die derzeitige Finanzkrise. Aber in Zeiten, in denen hunderttausende Jobs auch in Deutschland bedroht sind, rangiert die Ökonomie wieder einmal vor der Ökologie.
Die Grünen – darunter auch Giegold selbst – wittern in der Krise zwar die Chance, Marktregulierung mit Umweltschutz zu verknüpfen. Dieser „Green New Deal“ findet bei vielen Regierungschefs der Industriestaaten auch tatsächlich Anklang. Aber die Realität ist anders: In einer Studie zeigte Germanwatch kürzlich, dass die klimafreundlichen Ausgaben in den Konjunkturpaketen der G-20-Staaten gerade 6,6 Prozent ausmachen.
Und so stecken die Umweltaktivisten nun selbst in der Krise. Ihre Themen werden zwar registriert, haben aber nicht nur bei den Regierungschefs, sondern auch in weiten Teilen der Bevölkerung keine Priorität. Von einem Revival der Umweltbewegung kann derzeit zumindest keine Rede sein.
Für umweltpolitische Appelle ist der McPlanet-Kongress auch der falsche Ort. Die europaweite Demonstration der Gewerkschaften unter dem Motto „Die Krise bekämpfen. Sozialpakt für Europa! Die Verursacher müssen zahlen!“ am 16. Mai wäre angebrachter. Aber vielleicht hat Giegolds Appell von vor sechs Jahren ja gefruchtet – und AktivistInnen von Greenpeace oder BUND lassen sich auch auf dieser Sozialdemo blicken.
■ Der Autor ist Redakteur für soziale Bewegungen FOTO: WOLFGANG BORRS