FDP profitiert von Finanzkrise: Der Erfolg in der Nische

Mitten in der Finanzkrise kann die FDP plötzlich ihre Umfragewerte verbessern - auch wenn das Bild, das Parteichef Westerwelle abgibt, nicht gerade glücklich ist. Gegen jede Logik?

Westerwelle spricht im Bundestag in Berlin im Rahmen der Debatte zur Finanzkrise zu den Abgeordneten. Bild: dpa

Der Marktliberalismus ist in der Krise, und die Liberalen profitieren. Die erste Meinungsumfrage, die komplett nach der Eskalation der Finanzkrise am vergangenen Wochenende durchgeführt wurde, springt die FDP plötzlich von sieben auf zwölf Prozent. Die Regierungsparteien verlieren kräftig, die beiden anderen Oppositionsparteien stagnieren, meldet die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen. Wie kann das sein?

Auf den ersten Blick ist das Bild, das FDP-Chef Guido Westerwelle in der Krise abgibt, alles andere als glücklich. Die Finanzkrise sei ein klarer Fall von Staatsversagen, erläuterte Westerwelle am Dienstag im Bundestag einem verdutzten Publikum. Nicht bei Bankern und Brokern sei das Fehlverhalten zu suchen, sondern bei den staatlichen Kontrollbehörden. Kein Wort davon, dass die FDP jahrelang von Entbürokratisierung sprach und dass ihr etwa bei der Riester-Rente die Ansprüche, die Rot-Grün an die Sicherheit der Geldanlagen stellte, viel zu hoch waren.

Doch ist Westerwelle neben den Kollegen von der Linkspartei immerhin der einzige, der seine Meinung in der Krise nicht komplett geändert hat. Die Entschiedenheit, mit der SPD und Grüne heute die entfesselten Marktkräfte geißeln, hat man während ihrer gemeinsamen Regierungszeit von beiden nicht gehört. Noch kurioser erscheint die neue Staatsgläubigkeit der CDU, auch wenn die Partei sich damit nach des Eskapaden des Leipziger Parteitags und des Bundeswahlkampfs 2005 auf alte etatistische Traditionen besinnt.

Vor allem aber tut die FDP, wovon sie schon in den letzten Jahren profitierte: Sie besetzt konsequent eine Nische und greift nach dem Alleinstellungsmerkmal, das ihr die anderen bereitwillig überlassen. Wenn vier Parlamentsfraktionen eine Art sozialdemokratische Einheitspartei bilden, bleibt für die fünfte Gruppierung ein ausreichend großes Wählerpotenzial übrig. Da dürfen 88 Prozent der Bevölkerung ruhig den Kopf schütteln über die freidemokratischen Thesen - solange zwölf Prozent Befürworter übrig bleiben, kann die Kleinpartei mehr als zufrieden sein.

Für die Regierungsfähigkeit muss das jedoch kein Vorteil sein. Ein Jahrzehnt nach dem Machtverlust der FDP wünscht sich Westerwelle bekanntlich nichts sehnlicher, als 2009 einen Ministerposten zu ergattern. Für ein Bündnis mit der Union wird es aber kaum reichen. Und welche der vier übrigen Parteien wird sich schon mitten in der Krise, die bis zur Wahl vermutlich nicht ausgestanden ist, auf ein wackeliges Dreierbündnis mit den Marktradikalen einlassen? Würde Westerwelle gemeinsam mit Claudia Roth für die Sicherheit der Spareinlagen bürgen, könnte das auch eingefleischte Anhänger von FDP und Grünen kaum beruhigen - es sei denn unter dem Gesichtspunkt, dass ein solch kurioser Auftritt niemandem vom Ernst der Lage überzeugen würde.

Umso erstaunlicher ist an der Umfrage, dass beide Großparteien jeweils drei Prozentpunkte verlieren. Das widerspricht der Analyse im politisch-journalitischen Milieu, wonach die große Koalition in ernsten Zeiten das probate Bündnis sei. Bei der Union ließe sich das Resultat noch mit dem Debakel der Bayernwahl begründen und mit der Ignoranz der CSU, die sich statt mit der Finanzkrise lieber mit sich selbst beschäftigt, deren Wirtschaftsminister gänzlich unsichtbar bleibt. Aber was ist mit der SPD, die mit neuer Führung frische Hoffnung schöpfte und deren Finanzminister zum entschlossenen Manager der Krise avancierte?

Offenkundig machen die Wähler für das Debakel, ähnlich wie schon in den USA, vor allem die Regierenden verantwortlich. In der Umfrage hielten 72 Prozent die Kontengarantie für richtig, nur 55 Prozent schenkten ihr allerdings Glauben und hielten ihre Einlagen für sicher. Das muss nicht heißen, dass die Lust auf experimentelle Kleinparteien bis September nächsten Jahres anhält. Auf jeden Fall heißt es, dass das Verlangen nach neuen politischen Konstellationen bei Union und SPD schrumpft. Auch bescheidene 61 Prozent für eine große Koalition mit Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier noch eine komfortable Regierungsmehrheit, da ist noch Luft nach unten für weitere Börsenstürze. Die FDP kann sich derweil zu Tode siegen - und im neuen Bundestag wieder als größte Oppositionspartei Platz nehmen. Die bedingungslose Treue zu ihren politischen Grundsätzen muss sie im Gegenzug nicht aufgeben - außer in Bayern, wo sie künftig wieder mitregiert.

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