FDP-Politiker Michael Link über OSZE: "Kasachstan steht unter Beobachtung"

Kasachstan habe vor zwei Jahren versprochen, die OSZE-Standards einzuhalten, sagt der FDP-Abgeordnete Michael Link. Man werde jetzt sehen, ob die Zusage eingehalten wird.

Nursultan Nasarbajews (li), hier zusammen mit Joseph Alois Ratzinger (Papst Benedict XVI.), will lebenslanger Präsident werden. Bild: dpa

taz: Herr Link, welche Bedeutung hat die kasachische OSZE-Präsidentschaft?

Michael Link: Das Thema ist enorm wichtig, doch es droht in Vergessenheit zu geraten vor Afghanistan und Iran. So wichtig das auch sein mag - aber wie so oft redet man erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Nach Zentralasien sollte man aber jetzt hinschauen, und zwar bevor etwas in den Brunnen fällt.

Aber ist das Kind ist nicht schon in den Brunnen gefallen?

Mein Ausdruck bezieht sich darauf, dass wir in Zentralasien scheiternde oder in Extremismus abfallende Staaten bekommen. Diese Sorge bezieht sich aber mehr auf Usbekistan. Kasachstan ist sicher weit davon entfernt, in den Brunnen zu fallen. Aber es ist sicher auch genauso weit davon entfernt, eine Demokratie nach den Standards zu sein, wie sie der OSZE vorschweben. Denn hier geht es nicht um eine Zusammenarbeit mit China, Vietnam oder Burma. Kasachstan ist Mitglied der OSZE, und da gelten gemeinsame Standards für Demokratie und Menschenrechte. Diese sind nicht relativierbar.

Was bedeutet es für die OSZE, dass Kasachstan die Präsidentschaft übernimmt?

Michael Link, 46, ist seit 2005 Bundestagsab- geordneter der FDP. Er ist Mitglied der parlametarischen Versammlung der OSZE.

Als man vor zwei Jahren über den Vorsitz entschied, hat Kasachstan versprochen, die OSZE-Standards einzuhalten, und zugesagt, das Wahlrecht zu reformieren und die Menschenrechte einzuhalten. Man wird jetzt sehen, ob Kasachstan diese Zusagen einhält. Wenn es dies nicht tut, wird es schwerlich eine erfolgreiche Präsidentschaft werden.

Im Sommer 2009 wurde der kasachische Menschenrechtler Jewgeni Jowtis zu vier Jahren Haft verurteilt. Wie bewerten Sie das Urteil?

Die Frage der Unabhängigkeit der Justiz ist in Kasachstan ähnlich wie in den anderen sogenannten gelenkten Demokratien überhaupt nicht befriedigend geregelt. Ich habe den Eindruck, dass bei dem Prozess gegen Jowtis ein politisches Urteil gefällt wurde. Und das sollte man in bilateralen Gesprächen und auch auf der OSZE-Ebene deutlich ansprechen. Das wird Deutschland auch tun. Kasachstan ist jetzt ja nicht nur Mitglied der OSZE, sondern hat die Präsidentschaft inne, und da steht das Land unter besonderer Beobachtung.

Im Frühjahr erklärten Sie, dass die Präsidentschaft Kasachstans die Unabhängigkeit der Wahlbeobachter der OSZE gefährden könnte. Wie bewerten Sie jetzt die Sorge?

Ich halte das Büro für Demokratie und Menschenrechte, das ODIHR, für das stärkste und wertvollste Instrument der OSZE. Die FDP und die CDU haben im Koalitionsvertrag beschlossen, dieses Büro politisch zu stärken, und dessen Unabhängigkeit zu wahren. Wir müssen nun für diesen Plan die Unterstützung der anderen Mitgliedstaaten gewinnen. Wir wollen die ODIHR stärken und damit auch ein Zeichen setzen, was in der OSZE geht und was nicht.

Es gibt Anzeichen, dass Kasachstan während der OSZE-Präsidentschaft ein Referendum über die lebenslange Präsidentschaft Nursultan Nasarbajews abgehalten will. Wie bewerten Sie das?

Es ist aus meiner Sicht völlig abwegig, dass ein solches Referendum während der kasachischen OSZE-Präsidentschaft abgehalten wird. Kasachstan versteht sich als Demokratie. Eine lebenslange Präsidentschaft aber käme einer Monarchie gleich.

Die OSZE-Präsidentschaft Kasachstans wurde vor allem vom SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier unterstützt, als Teil der Zentralasienstrategie. Wie bewertet die FDP diese Strategie?

Die Zentralasienstrategie ist wichtig, sie ist aber leider eine Strategie der deutschen EU-Präsidentschaft geblieben und wurde nicht zur EU-Politik erhoben. Das wollen wir ändern. Wir wollen die Gewichtung der Zentralasienstrategie neben Geo- und Energiepolitik auch auf Menschenrechte und Rechtsstaat legen. In der Zentralasienstrategie ist das zwar erwähnt. Aber in der Realität blieb es vernachlässigt.

Wenn die FDP vor zwei Jahren schon Regierungsverantwortung gehabt hätte, hätte Deutschland versucht, die kasachische OSZE-Präsidentschaft zu verhindern?

Wir hätten vermutlich versucht, die OSZE-Präsidentschaft auf einen späteren Zeitpunkt zu terminieren. Der kasachische Anspruch ist natürlich berechtigt, und jedes Land wächst ja wie eine Person auch an den Aufgaben. Aber ein späterer Zeitpunkt wäre sicher besser gewesen. Ich weiß aber nicht, ob wir uns hätten durchsetzten können, denn die Fürsprecher Kasachstans waren schon sehr stark. Anders als Steinmeier und die SPD hielten wir die OSZE-Präsidentschaft 2010 für zu früh.

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