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Archiv-Artikel

FDP-PARTEITAG: GUIDO WESTERWELLE WILL HELMUT KOHL BEERBEN Zitieren und meckern

Die Spaßpartei ist Geschichte auf dem Bremer Parteitag: Auf den Tischfähnchen prangt nicht mehr „18“, sondern nur noch „FDP“. Wofür aber stehen diese drei Buchstaben? Was ist noch (neo)liberal, wenn die Grünen, ja selbst die Mehrheit der Sozialdemokraten inzwischen Steuersenkungen versprechen und bei den Arbeitslosen kürzen ? Man kann die rot-grüne Trendwende als FDP-Sieg deuten, wie Guido Westerwelle es gestern tat. Nur: So werden die Liberalen überflüssig. Die Ratlosigkeit drückt sich bestens im Slogan des Parteitags aus: „Neu denken, jetzt handeln.“ Dieses Motto ist doppelt fiktiv: Es sagt viel über die Wunschträume der Liberalen und verfehlt deren Realität.

„Jetzt handeln“ kann die Regierung – und kann die Union im Bundesrat. Die Liberalen dagegen sind bedeutungslos – nicht umsonst sind Neuwahlen momentan Westerwelles Lieblingsidee. Eine aussichtslose Hoffnung. Wahrheitsgemäß hätten die Liberalen titeln müssen: „Jetzt meckern“.

Aber die Machtlosigkeit hätte sich durch interessante Konzepte ja ausgleichen lassen, wie es dieses „Neu denken“ versprechen will. Westerwelle interpretiert diesen Anspruch allerdings recht eigenwillig: Gleich dreimal verlangte er gestern eine „geistig-moralische Wende“, damit auch gar kein Zuhörer verpassen kann, dass er Helmut Kohl zitierte. Was jedoch unter dieser geistig-moralischen Wende zu verstehen ist, blieb unklar. Zur gewünschten Erneuerung soll unter anderem gehören, dass die Sekundärtugend „Herzensbildung“ künftig zur Primärtugend aufgewertet wird.

Statt „neu denken“ hätte es heißen müssen: „Altes zitieren“. Was soll das? Bisher schon war Westerwelle bemüht, die FDP als Volkspartei zu positionieren, um sie aus dem Ghetto der besser Verdienenden zu befreien. Nun will er dieses Idee ergänzen, indem er die FDP als bessere CDU ausgibt.

Das Bemühen ist verständlich, haben doch die Hessenwahlen gezeigt, dass es der FPD nichts nutzt, Stimmen zu gewinnen, wenn die CDU so stark ist, dass sie allein regieren kann. Im eigenen Lager überflüssig zu werden ist noch ärgerlicher, als wenn Rot-Grün die eigenen Thesen klaut. Aber es steht schon schlimm für die FDP, wenn der Ausweg nur noch der Rückweg ist. ULRIKE HERRMANN